Einkaufsviertel mit urbanem Charakter

■ Bergedorfer Architekten entwickeln planerische Alternative für den Bahnhofsvorplatz

Geht es um die Neugestaltung des Bergedorfer Bahnhofsvorplatzes, so scheiden sich die Geister. Denn die bisherigen Pläne sehen vor, aus dem Platz eine Wüste aus Beton und Asphalt zu machen – so sieht es zumindest eine Bürgerinitiative, die jetzt sachkundige Verstärkung bekommen hat. Drei Bergedorfer Architekten wollen den Platz lebendiger gestalten, indem dort ein Einkaufsviertel aus kleinen Gebäuden errichtet wird. Das Viertel soll zentral gemanagt werden, um wirtschaftlich genauso attraktiv zu sein wie ein Einkaufszentrum, gleichzeitig aber den typischen Charme Bergedorfs bewahren.

Die Architekten Nils Roderjan, Ronald Behrendt und Eike Leiner wollen ihre Vorschläge keineswegs als Gegenentwurf zu den existierenden Plänen verstanden wissen, sondern lediglich als Anregungen für eine öffentliche Diskussion. Aus diesem Grund betonen sie, ihre Lösung sei aus einer Analyse der vier Wettbewerbsentwürfe abgeleitet, zwischen denen sich heute eine Jury unter Vorsitz von Oberbaudirektor Egbert Kossak entscheiden muß. Der Bürgerinitiative wäre es am liebsten, die Jury ließe mehrere Entwürfe mit ihren jeweiligen Vorzügen weiterentwickeln und öffentlich diskutieren.

Roderjan, Leiner und Behrendt gehen von den vorhandenen Vorzügen Bergedorfs aus – dem Charakter einer historisch gewachsenen Kleinstadt einerseits und drei „ausgesprochen interessanten Bonbons“ des Ortes andererseits: dem Bahnhofsvorplatz, der zwar nicht schön ist, aber als Verkehrsknoten viele Menschen unweigerlich anlockt, dem ehemaligen Holzhafen, aus dem ein Hafen für Museumsschiffe und Hausboote werden könnte, und der alten Stuhlrohrfabrik, die nach dem Vorbild der Zeise-Hallen neu genutzt werden soll. Die Fabrik gehört zwar nicht zum Planungsgebiet, die Architekten wollen sie jedoch einbinden. Auf diese Weise ergäbe sich in eine Kette von drei Plätzen unterschiedlichen Charakters. „Man muß einen Grund haben, um auf einen Platz zu gehen“, sagt Roderjan, der die drei zentralen Räume durch kurze, öffentliche Fußwege verbunden sehen möchte.

Daß sie diese Plätze nicht ausreichend würdigen und keine Verbindung zwischen ihnen vorsehen, kritisieren die Bergedorfer Architekten an den Wettbewerbsentwürfen. Drei dieser Pläne setzen auf große Gebäudestrukturen, die von überdachten Ladenpassagen durchzogen und nachts geschlossen wären.

In den Augen der drei Architekten würden die großen Bauten einen Fremdkörper mitten in der gewachsenen Stadt bilden und Bergedorf seines besonderen Charms berauben. „Ich kenne viele aus meiner privaten Bekanntschaft, die fahren nach Lüneburg zum Einkaufen“, sekundierte Hartmut Falkenberg von der Bürgerinitiative. Ähnliches könnte in Bergedorf entstehen, zumindest, sofern es gelingt, ein Qualitätsmerkmal der Einkaufszentren nachzuahmen: den ausgewogenen Branchenmix, meinen die Architekten. Gernot Köndler