Der Börse ist kein Tag heilig

Die Deutsche Börse will das Euro-Einführungsgesetz nutzen und ab dem 1. Januar auch an Feiertagen arbeiten. Gewerkschaften drohen mit Verfassungsklage  ■ Von Ulrike Fokken

Berlin (taz) – Aktienhändler und Softwarespezialisten der Deutschen Börse werden künftig nicht mehr auf gesellige Touren an Christi Himmelfahrt, Pfingstmontag, Fronleichnam und am Tag der Deutschen Einheit gehen. Sie sollen das tun, was sie zwischen Montag und Freitag immer tun: den internationalen Handel mit Aktien aufrechterhalten.

Der Börsenrat, ein Gremium aller deutschen Börsen, hat am 23. November beschlossen, ab 1999 auch an den vier genannten Feiertagen zu arbeiten. Ohne uns, verkündeten die für Finanzdienstleistungen zuständigen Gewerkschaften DAG, DPG, HBV und ÖTV am Wochenende. Sie drohen mit einer Verfassungsklage, wenn nicht Arbeitsminister Walter Riester (SPD) das Arbeitszeitgesetz novelliert. Das untersagt zwar die Arbeit an Feiertagen, das von der Kohl-Regierung erlassene Euro- Einführungsgesetz erlaubt aber Feiertagsarbeit in Banken und Börsen. Jedoch nur, „sofern die Arbeiten nicht an Werktagen vorgenommen werden können“ und nur „zur Durchführung des Eil- und Großbetragszahlungsverkehrs“. Außerdem gilt das Beschleunigungsgesetz nur an Feiertagen, die nicht in allen Ländern der Europäischen Union arbeitsfrei sind. An solchen Tagen könnte der Kapitalstrom im Euro-Land nicht durch Deutschland fließen.

Das sehen die Börsenvorstände gar nicht gern. Sie verdienen ihr Geld mit den gehandelten Mengen an Wertpapieren. Allein in der Hausbörse der Deutschen Börse AG in Frankfurt wurden im November täglich Aktien im Wert von 40 Milliarden Mark umgesetzt. An jedem dieser Papiere verdient die Börse zwischen 0,04 und 0,17 Prozent des Preises.

Genug, um grundsätzlich und immer an den vier genannten Feiertagen handeln zu lassen. „Wir sind eine internationale Börse, deswegen macht es wenig Sinn, an nationalen Feiertagen festzuhalten“, sagt Sylvia Herbrich, Sprecherin der Deutschen Börse AG. Sie sieht die deutsche Entscheidung als Schritt zu einer „wünschenswerten gesamteuropäischen Harmonisierung“.

Dann müßten französische Börsianer auch am 14. Juli arbeiten, ihre spanischen und italienischen Kollegen am 6. Januar handeln, und die Östereicher gingen ihrer Freiheit am Nationalfeiertag verlustig. In der EU gäbe es dann noch zwei einheitlich Feiertage: den 25. Dezember und den 1. Januar.

Interessant ist dieses Szenario hauptsächlich für die Deutsche Börse. Sie versucht, seit einigen Monaten eine europäische Allianz mit den wichtigsten Börsen zu schmieden. Seit Juli vermarkten die Frankfurter mit der Londoner Börse gemeinsam Aktienspitzenwerte, die Börse Wien hat das Handelsprogramm Xetra aus Frankfurt übernommen, und die Schweizer haben ihre Terminbörse mit der Frankfurter verschmolzen. Werner Seifert, Vorstandschef der Deutschen Börse AG, will das Unternehmen zum weltweit größten Anbieter von Termingeschäften und zum zweitgrößten für Anleihen ausbauen. Seine aggressive Strategie wird nur aufgehen, wenn die europäischen Börsen die deutsche Software kaufen und ihre Geschäfte über die Großrechner in Frankfurt abwickeln. Die müssen täglich laufen.