Kein Schlafplatz nur für Frauen

Übernachtungsstätte für weibliche Junkies auf St. Georg scheitert an der Gesundheitsbehörde und am Bezirk Mitte  ■ Von Judith Weber

Frauen kommen selten in die Übernachtungsstätten für Junkies auf St. Georg. Selbst wenn sie an der Nadel hängen, sich das Geld für den nächsten Schuß durch Prostitution verdienen und keine Wohnung haben: „Unser Angebot ist nicht adäquat für sie“, weiß Kay Polter vom Projekt ReAlex. Die zehn Schlafplätze, die der Verein anbietet, sind meist mit Männern belegt; „Frauen gehen lieber in Einrichtungen, die sich nur an Frauen wenden“. Davon gibt es nur eine in der Nähe des Hauptbahnhofs; eine weitere wird vom Bezirk Mitte und der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) verhindert.

Der Verein „Ragazza“ möchte die Übernachtungsstätte eröffnen. Er betreut seit 1991 drogenabhängige Frauen, bietet ihnen Gelegenheit zum Spritzentausch an, Beratung und eine warme Mahlzeit. Nun will „Ragazza“ einen Druckraum für weibliche Junkies einrichten, an den eine Übernachtungsstätte angeschlossen ist. Bedarf ist vorhanden, so Katrin Schmidt von „Ragazza“: „Rund 40 Prozent unserer Klientinnen sind obdachlos.“ Unterstützt wird das Projekt durch die „Soziale und Pädagogische Initiative St. Georg“, in der Vereine aus dem Stadtteil zusammengeschlossen sind, sowie durch den Stadtteilbeirat. Ein Antrag auf Unterstützung durch die EU läuft.

Doch die derzeitigen Räume von „Ragazza“ in der Stiftstraße 18 sind zu klein für derartige Pläne. Realisieren ließen sie sich dagegen im Haus am Steintorweg 11. Das ehemalige Stundenhotel steht leer; die zum Teil stadteigene Grundstücksverwaltungs- und Projektplanungsfirma HAGG verhandelt mit dem Eigentümer über einen Kauf.

Nur Behörde und Bezirk stellen sich quer. Sie möchten, daß „Ragazza“ in die Brennerstraße 81 zieht. Die Zimmer dort sind jedoch zu klein für eine Übernachtungsstätte; lediglich der Druckraum könnte realisiert werden. „Der hat für uns auch Priorität“, erklärt BAGS-Sprecherin Petra Bäurle. „Es ist unser Anliegen, den Gesundheitsraum so schnell wie möglich umzusetzen.“ Statt einer Übernachtungsstätte möchte die Behörde deshalb lediglich vier Notbetten bei „Ragazza“ finanzieren.

Der HAGG ist diese Ungeduld unverständlich. Schließlich, erklärt Thomas Pohl, stellvertretender Geschäftsführer des Unternehmens, schritten die Verhandlungen nur deshalb langsam voran, weil die BAGS sich nicht endgültig für das Gebäude ausgesprochen habe. „Wenn wir das Okay von der Behörde bekämen, könnten wir vermutlich noch in diesem Jahr einen Vertrag abschließen.“ Dann allerdings müßte renoviert werden – auch auf Kosten der Behörde.

Dem SPD-CDU-regierten Bezirk Mitte kommt die Haltung der BAGS sehr gelegen. „Das Haus am Steintorweg ist zu nah am Hauptbahnhof“, kritisiert Ilse Quasnitza (SPD), stellvertretende Vorsitzende des Jugend- und Sozialausschusses. Sie möchte die Einrichtung lieber weiter entfernt von der offenen Drogenszene sehen. Der Jugend- und Sozialausschuß des Bezirks sowie der Jugendhilfeausschuß haben sich deshalb gegen den Steintorweg ausgesprochen – und damit gegen eine weitere Frauen-Schlafstätte im Stadtteil.