Mit den Mietern erfolgreich die Preise gedrückt

In Moabit haben Bonner Beamte Wohnungen gekauft, die von der Scientology-nahen Immobilienfirma TCGC auf den Markt gebracht wurden. Vor dem Kauf unterstützten die Bonner den Mieter-Protest gegen Scientology. Seit ihre eigenen Käufe perfekt sind, bestehen sie auf Wohlverhalten  ■ Von Uwe Rada

Obwohl nur einen Katzensprung vom Schloß Bellevue, dem Sitz des Bundespräsidenten, und dem Moabiter Gefängnis entfernt, ist das Viertel rund um den Carl- von-Ossietzky-Park im Berliner Stadtteil Moabit eine ausgesprochen ruhige Gegend. Nicht nur die ansässigen Mieter wissen diese Beschaulichkeit zu schätzen. Auch einige Bonner Ministerialbeamte haben die Vorteile des Kiezes und seiner gleichzeitigen Nähe zum künftigen Regierungsviertel entdeckt: als Käufer von Eigentumswohnungen, die zuvor von der Scientology-nahen Immobilienfirma TCGC auf den Markt gebracht worden waren.

Das Haus Spenerstraße 25a, Ecke Melanchtonstraße, ist nur auf den ersten Blick eine der typischen Berliner Mietskasernen. Das zeigen schon von weitem die zahlreichen Transparente gegen den Sektenkonzern Scientology und gegen Wohnungsspekulanten. Außergewöhnlich sind auch die Wohnungen. Mit ihren hohen, stuckverzierten Zimmerdecken, ihrer Geräumigkeit und den Balkonen, so glaubte vor anderthalb Jahren TCGC-Mitarbeiter Krebs, würden die Wohnungen vor allem an die Bonner Beamten weggehen wie warme Semmeln.

Heute muß Mieterin Marion Caspar eingestehen, daß die Rechnung des Sektenkonzerns aufgegangen ist: Die Scientology-nahe Firma hat zahlreiche Wohnungen an Bonner Beamte gewinnbringend verkaufen können. Was die Rechtsanwältin aber noch immer nicht wahrhaben will, ist, daß die Mieter mit den neuen Eigentümern vom Regen in die Traufe gekommen sind.

Einer der Käufer ist Ulrich Steding, ein Mann mit schwäbischem Akzent und Professortitel, der als hoher Ministerialbeamter in Joschka Fischers Auswärtigem Amt arbeitet. „Mittlerweile“, weiß Marion Caspar zu berichten, „hat Steding bereits zwei Wohnungen gekauft, von denen er eine gerade teilen läßt.“ Vor allem aber betätige sich Steding als Saubermann. „Der reißt die Informationsblätter im Treppenhaus herunter und droht uns wegen der Transparente.“ Obwohl die Mieter mit den Transparenten weitere potentielle Käufer vor einem Deal mit der TCGC warnen wollen, stelle dies, so Steding gegenüber der Presse, einen „Mißbrauch des Gemeinschaftseigentums“ dar.

Noch vor einem Jahr haben die Mieter gedacht, daß mit den Käufern aus der Bundeshauptstadt ihr Protest gegenüber den Machenschaften der TCGC unterstützt würde. Immerhin war die Spenerstraße kein Einzelfall. Auch in Kreuzberg und Neukölln spekulierten Scientology-nahe Firmen in etwa 40 Häusern auf die Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen und versuchten, Mieter mit rüden Methoden aus ihren Wohnungen zu vertreiben. Dazu kam, daß die Bundesregierung eine Öffentlichkeitskampagne gegen den Sektenkonzern führte.

„Am Anfang haben die uns noch auf die Schulter geklopft, als wir die Transparente herausgehängt haben“, erinnert sich Mieterin Marion Caspar. Doch Patricia Bauermeister, deren Wohnung an Klaus Hermann Ringwald, ebenfalls ein Bonner Mitarbeiter des Auswärtigen Amtes, verkauft wurde, ahnte schnell, daß diese Unterstützung keine Überzeugungstat war.

„Die wollten nur die Preise drücken“, weiß sie heute, „schließlich haben unsere Proteste die TCGC unter Druck gesetzt.“ „Mit unserer Hilfe“, sagt auch Patricia Bauermeisters Ehemann Thomas, „haben die ein Schnäppchen gemacht.“ In der Tat: Mit einem Verkaufspreis von 2.200 Mark pro Quadratmeter bewegen sich die Preise weit unter dem, was in der Hauptstadt mittlerweile üblich ist. Ein Käufer, berichtet Marion Caspar, habe in seinem Kaufrausch sogar gegenüber einer älteren Mieterin erklärt, daß ihre Heizung mit dem Kauf der Wohnung in sein Eigentum übergehe.

Mittlerweile sind fast alle Wohnungen in der Spenerstraße verkauft, nicht nur an Bonner Beamter, sondern auch eine Mitarbeiterin des Goethe-Instituts sowie an ganz normale Wohnungskäufer. Damit aber die Käufer der restlichen Wohnungen sich nicht genauso aufführen wie Ulrich Steding, will die Mietergemeinschaft des Hauses nun erst recht mobil machen. Mit Briefen nach Bonn wollen sie erreichen, daß in den „Berliner Zimmern“ der Ministerien, in denen Mitarbeiter über das Leben in der Hauptstadt informiert werden, auch über die Machenschaften der Scientology-nahen Immobilienfirmen berichtet wird. Daß in diesem Falle freilich weniger die Scientologen als vielmehr die Bonner selbst das Problem sind, erhöht ihre Chancen freilich nicht unbedingt.

Gleichwohl haben die Mieter rund um den beschaulichen Carl- von-Ossietzky-Park zumindest bei einer Politikerin ein offenes Ohr gefunden. „Gerade Ministerialbeamte“, ärgert sich Renate Rennebach, die sektenpolitische Sprecherin in der SPD-Bundestagsfraktion, „stehen in einer besonderen Verwantwortung. Schließlich geht es um die Glaubwürdigkeit der Bundesregierung in Sektenfragen.“