Adventsgeschenk für Börsianer in Asien

■ China senkt überraschend die Zinsen, um die Konjunktur anzukurbeln, und löst damit Optimismus an den asiatischen Börsen aus. Hinter der Entscheidung steht das Problem der Volksrepublik mit der Deflat

Berlin/Tokio (taz/rtr) – Ein Hauch von Optimismus wehte gestern durch die krisengeschüttelten asiatischen Börsen. Auslöser dafür war China. Die Wirtschaftsgroßmacht senkte die Zinsen um rund ein halbes Prozent. So soll der Konsum angestachelt werden, um die schuldengeplagten Staatsfirmen zu entlasten. Da China ein zunehmend wichtiger Absatzmarkt für asiatische Länder ist, können dort die Exportunternehmen ein wenig Hoffnung schöpfen.

Vor allem in Hongkong haben die Börsenkurse gestern abrupt zugelegt: Der Hang-Seng-Index schoß 4,67 Prozent in die Höhe. Broker sprachen von einem frühen Weihnachtsgeschenk der Regierung in Peking, warnten aber auch, daß die Eckdaten der Wirtschaft in der Region weiterhin schwach bleiben. Die Börse in Tokio erlebte einen etwas schwächeren Aufwind, der Nikkei-Index schloß 0,57 Prozent höher. In Japan warten die Anleger offenbar noch darauf, daß auch im eigenen Land die ohnehin niedrigen Zinsen weiter gesenkt werden.

Für China war dies der dritte Zinssenkungsschritt in den vergangenen 14 Monaten gewesen. Indem sie die Sparzinsen stärker senkten als die Kreditzinsen, wollen die Zentralbanker den kränkelnden staatlichen Banken unter die Arme greifen. Die Banken nämlich haben mit faulen Krediten zu kämpfen, die Schätzungen zufolge mindestens 25 Prozent der gesamten Guthaben ausmachen. Die Banken nehmen nun künftig deutlich mehr Zinsen ein, als sie an ihre Anleger auszahlen müssen.

Auch die anderen staatlichen Unternehmen sollen von der Maßnahme profitieren. Ihre Schuldenrückzahlungen sollen sich dadurch um insgesamt 23 Milliarden Yuan (4,8 Milliarden Mark) im Jahr vermindern.

Hinter der Entscheidung der Zentralbank steht eine grundlegende Schwäche der chinesischen Wirtschaft: die Deflation. Weil nach wie vor viele staatliche Unternehmen an der Nachfrage vorbei produzieren, und weil die Nachfrage ihrerseits außerordentlich schwach ist, fallen die Preise – nun schon seit 13 Monaten. Im Oktober lagen die Verbraucherpreise in China 2,9 Prozent unter dem Stand vom Oktober des Vorjahres. Angesichts dieser Deflation liegen die realen Zinsen in China vergleichsweise hoch.

Die letzten zwei Zinssenkungen haben daran wenig geändert. Die Kaufkraft blieb schwach, weil der Staat Finanzierungshilfen für Ausbildung, Versicherungen und Miete kürzte. Zudem legen viele Chinesen lieber Geld zurück, statt es auszugeben, weil die Reformen des Staatssektors sie an der Sicherheit ihrer Jobs zweifeln läßt.

Diesmal jedoch besteht Hoffnung, daß die Nachfrage tatsächlich belebt wird. Denn die Zinssenkung geht einher mit einem Konjunkturpaket in Höhe von 100 Milliarden Yuan (20,7 Milliarden Mark). Damit will die chinesische Regierung das offizielle Wachstumsziel von acht Prozent erreichen. Nach offiziellen Zahlen wuchs die chinesische Wirtschaft in den ersten neun Monaten dieses Jahres um 7,2 Prozent. Allerdings warnt die Wirtschaftszeitung Financial Times, daß solche offiziellen Zahlen die Realität wohl kräftig überzeichnen dürften. lieb