Ermittlungsstop im LKA

Interne Dienstanweisung im Landeskriminalamt sorgte für Nichtbearbeitung von Fällen. Staatsanwaltschaft wurde umgangen  ■ Von Kai von Appen

Im Sonderdezernat für KFZ-Diebstähle und -hehlerei beim Landeskriminalamt („LKA 234“) sind zumindest im Winter 96/97 Einzelfallakten vorsätzlich nicht bearbeitet worden. Das belegt eine Dienstanweisung der LKA-Führung. Damit könnte der Skandal um die im LKA 234 verschollenen 72 Akten sowie die jüngste Hausdurchsuchung beim Kritischen Polizisten Thomas Wüppesahl (taz berichtete) im neuen Licht erscheinen. Daß es bei Ermittlungsverfahren eine Prioritätenliste gibt, ist normal. Daß aber eine Kripo-Abteilung des Bereichs Organisierte Kriminalität verdonnert wird, Fälle nicht zu bearbeiten, ist brisant.

Die Direktive trägt das Datum des 18. November 1996. Darin weist Michael Daleki, Leiter „Ermittlungen beim LKA“ und bekannt geworden als Jäger des Karstadt-Erpressers „Dagobert“, die Fahnder an, „vier bis sechs Großverfahren“ vorrangig zu bearbeiten. „Die übrigen Vorgänge werden ohne Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft zur Entscheidung übersandt“, ordnete Daleki weiter an, „oder sie werden liegengelassen.“

Über diese Vorgehensweise sollte die Anklagebehörde – bis auf Ausnahmefälle – nicht informiert werden. „Es ist natürlich vor dem Hintergrund in nächster Zeit mit Beschwerden der Staatsanwaltschaft zu rechnen“, befürchtete Daleki. Daher sollte eine Zuordnung der unbearbeiteten Akten an den LKA 234-Leiter Klaus G. und dessen Stellvertreter Walter M. erfolgen, „um den Sachbearbeitern die Verantwortung zu nehmen“.

Die Folge der Maßnahme: Es türmten sich allein bis zum Frühjahr 1997 über 250 Fall-Akten auf, die arglos und frei zugänglich in den Räumen an der Stresemannstraße lagerten. Erst als zu Pfingsten ein Karton mit 72 TÜV-Akten verschwanden, setzte hektisches Treiben ein. Da eine „Einschreibung der Vorgänge“ auf die Namen der Leiter nicht erfolgte, verdächtigten die Fahnder zunächst den Sachbearbeiter Hermann B., die Akten verbaselt zu haben – das Verfahren wurde aber eingestellt. Dessen Kollege Wüppesahl schaltete wegen der Sicherheitsschlampereien den Hamburger Datenschutzbeauftragten ein – und wurde selbst Opfer einer Durchsuchung seiner Dienst- und Privaträume.

Pressestaatsanwalt Rüdiger Bagger hält die Razzia wegen des Verdachts des „Verwahrungsbruchs“ und der „Strafvereitelung“ weiterhin für angemessen. Bagger gestern zur taz: „Auch der kleinste Fall, ist er auch noch so unbrisant, muß bearbeitet werden.“

Vielleicht sollte er das mal Herrn Daleki mitteilen.