Der falsche Doktor K.

■ Landeschef der Republikaner verkaufte als falscher Arzt jahrlang angebliches Krebsmittel / Dafür bekam er gestern neun Monate Haft auf Bewährung

Auf dem Gerichtsflur geht es zu wie im Wartezimmer. Vornehmliche ältere Herrschaften haben sich vor dem Sitzungssaal 551 des Amtsgerichts versammelt. Krankengeschichten werden erzählt. Es geht um die lebensgefährliche Krankheit Krebs und um die Frage, ob Wundermittel helfen.

Auf der Anklagebank sitzt ein Mann, der fest daran glaubt. Als „Professor Dr. med“ verkaufte der ehemalige Kraftfahrer Karl K. (68) über Jahre das angebliche Krebsmittel „Maruyama Vaccine“ aus Japan. Das Präparat ist in Deutschland nicht zugelassen, und es darf nicht exportiert werden. Laut Staatsanwaltschaft kostete das Mittel in Japan nur Pfennige. Der falsche Doktor kassierte von den Patienten, die nach „dem letzten Rettungsanker griffen“ dagegen 50 Mark pro Ampulle. Für eine Behandlung schrieb „Professor Dr. med. Karl M.“ Rechnungen von mehreren tausend Mark.

Um sein Mittel zu vertreiben, gründete der falsche Doktor die Firma „Trofozell“. Sein stiller Teilhaber, Klaus M. (51), sitzt ebenfalls auf der Anklagebank. Klaus M. übernahm das Marketing für das Krebsmittel. Beihilfe zum Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz wirft ihm der Staatsanwalt deshalb vor.

Der falsche Doktor erzählt bereitwillig aus seinem bewegten Leben. Kraftfahrer gibt er als Beruf an. Ab 1965 sei er zur See gefahren und nach Japan verschlagen worden. Dort habe er zunächst als Fußballtrainer gearbeitet. Dann fand er einen Job beim Goethe-Institut als Deutschlehrer. Danach habe er an mehreren Universitäten als Dozent gearbeitet. Außerdem knüpft er die ersten Kontakte zum Krebsforschungszentrum in Japan und umgibt sich mit Ärzten. Er habe sich immer sehr für Medizin interessiert. „Leider hatte ich ja nie die Möglichkeit, das auszubauen.“ Irgendwann habe man ihn mit „Herr Doktor“ angesprochen, berichtet der Angeklagte. „Das hat mir natürlich gefallen.“ Später sei der „Professor“ dazugekommen. „Ich habe Anerkennung und Respekt gefunden, was mir vorher nie passiert war. Ich habe nichts getan, um das zu ändern.“

1989 kehrt der falsche Doktor nach Deutschland zurück. Er unterrichtet am Japanischen Internat und vertreibt unter dem Titel „Professor Dr. med.“ das angebliche Krebsmittel. 1992 lernt er an einem Infostand der Republikaner den Mitangeklagten Klaus M. kennen. Der falsche Doktor tritt in die Partei ein und wird zum Landeschef gekürt. Als Klaus M. das Präperat der Brandenburgischen Gesundheitsministerin Regine Hildebrandt (SPD) die an Brustkrebs erkrankt ist, anbietet, fliegt die Sache auf und die Quacksalber werden geschnappt.

„Krebs ist nicht Schnupfen“, sagt der Staatsanwalt. Der falsche Doktor habe „mit dem Leben“ der Krebspatienten „gespielt“. 13 Monate auf Bewährung, fordert er deshalb für den falschen Arzt. Sein Kompagnon soll 2.700 Mark Geldstrafe zahlen.

Das sei „zu hoch gehängt“, findet der Anwalt des falschen Arztes. Vom „Spiel mit dem Leben“ könne nicht die Rede sein. Als Karl K. das letzte Wort erteilt wird, ist der Möchte-gern-Mediziner fast den Tränen nahe. „Ich kann nur sagen, daß ich überzeugt war und bin, daß dieses Präparat nützlich und hilfreich ist. Ich sehe ein, daß ich die Menschen enttäuscht und getäuscht habe.“Sein stiller Teilhaber, Klaus M., ist sich keiner Schuld bewußt. Er habe dem Doktor geglaubt und nie Geld bekommen. Der Richter glaubt ihm das zum Teil und verwarnt ihn mit einer Geldstrafe von 1.000 Mark. Der falsche Doktor kommt nicht so glimpflich davon. Solche „Wundermittel“ lösten in der Bevölkerung „immer Diskussionen aus“, sagt der Richter. Das sei ein „Grenzbereich der Medizin“. Überlegungen, ob der falsche Doktor mit dem Leben anderer gespielt habe, müßten „außen vor“ bleiben. Die Einfuhr und der Vertrieb eines nicht zugelassenen Medikamentes sei ein „Formalverstoß“. Auch das Führen falscher Titel sei nicht erlaubt. Mit Blick auf die jahrelange Tätigkeit verurteilt er Karl K. zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten auf Bewährung. 1.000 Mark Geldstrafe soll er außerdem zahlen – an die Krebshilfe. kes