Der Wald bleibt chronisch krank

■ Trotz feuchten Sommers wird Zustand des Waldes schlechter. Besserung nur bei Kiefern

Bonn (taz) – Auch in diesem Jahr keine besseren Nachrichten vom deutschen Wald: Jeder fünfte Baum gilt nach den offiziellen Statistiken noch immer als „schwer geschädigt“. Dies ermittelte der Umweltverband BUND aus den amtlichen Zahlen der Bundesländer. Der Anteil nahm sogar gegenüber dem vergangenen Jahr um 5 Prozent zu: 21 Prozent aller Bäume fallen nun unter die Schadensklassen 2 bis 4: Ihre Baumkronen sind zu mehr als einem Viertel ausgelichtet.

Insgesamt 62 Prozent aller Bäume weisen nun Nadel- oder Blattverlust von mehr als 10 Prozent auf. Das ist mehr als in den vergangenen drei Jahren, trotz eines für den Wald günstigen Sommerwetters. „Der Wald ist weiterhin krank“, urteilte gestern die BUND-Vorsitzende Angelika Zahrnt. Hoffnungen „auf einen regenreichen Sommer“ nützten nichts. Vielmehr müßten die Schadstoffe aus Verkehr und Landwirtschaft gedrosselt werden. „Die sechs Pfennig Benzinsteuer bringen keine Entlastung“, urteilte Zahrnt. Dies müsse im zweiten Schritt der Ökosteuer nachgebessert werden. Schließlich sei ein „flächendeckender ökologischer Waldbau“ nötig.

Am stärksten betroffen ist dieses Jahr die Fichte: Im vergangenen Jahr waren nur 18 Prozent der Fichten schwer geschädigt, 1998 sind es 26 Prozent. Beinahe jeder dritte deutsche Baum ist eine Fichte, erklärte Helmut Klein, Waldexperte des BUND. Nun räche es sich, daß der eigentlich in Hochlagen heimische Baum so viel in Tieflagen angepflanzt worden sei. Die deshalb empfindliche Fichte sei inzwischen „der Brotbaum der Forstwirtschaft“.

Verbessert hat sich dagegen der Zustand der Kiefern, von denen statt 12 (1997), dieses Jahr nur noch 10 Prozent schwer ausgelichtet sind. Die Zahl der Kiefern mit schweren Schäden ist auf dem niedrigsten Stand seit Beginn der Erhebungen, allerdings ist die Zahl der Kiefern mit leichten Schäden (Schadstufe 1) mit 45 Prozent noch immer etwas höher – 1983 war es ein Drittel. Klein führt dies vor allem auf die Erfolge bei der Luftreinhaltung in den neuen Bundesländern zurück.

Der Zustand von Eichen und Buchen hat sich in den vergangenen Jahren leicht erholt. Dennoch sind die Bäume immer noch schwerer geschädigt als vor einigen Jahren. Bei den Fichten gibt es dagegen den schlechtesten Stand seit Beginn der Statistik.

Der BUND hat für seine Vorstellung die Waldschadensberichte der Bundesländer zusammengetragen, die auch Grundlage für den Bericht des Bundes sind, der aber voraussichtlich erst Anfang kommenden Jahres erscheint. Laut Klein werde in den Ministerien immer noch gestritten über die Art der Schadensmessung und der Präsentation. Aus dem Bundesforschungsministerium wird seit längerem angezweifelt, daß die Kronenauslichtung ein gutes Maß für die Krankheit der Bäume ist. BUND-Waldexperte Klein verteidigte dieses Maß als „das beste, was wir haben“. Der BUND sei offen für bessere Indikatoren, aber aus Gründen der Vergleichbarkeit solle die alte Statistik in jedem Falle weitergeführt werden.

Auf ein „Waldsterben von unten“ wies gestern in der gemeinsamen Pressekonfernez mit dem BUND der Ökologische Jagdverband (ÖJV) hin. Weil die Reh- und Rotwildbestände „überhöht seien“, so ÖJV-Vorsitzende Elisabeth Emmert, entstünden „untragbare Baumschäden“ durch Verbiß und die Abschälung von Baumrinden. Das viele Wild für Freizeitjäger fresse bevorzugt junge Triebe von Laubbäumen. Sie forderte höhere Abschußzahlen und ein generelles Fütterungsverbot. Matthias Urbach