Phthalate: Das allgegenwärtige Gift verursacht schwere Schäden

„Vom Beißring direkt in den Mund“, warnte schon vor einem Jahr die Umweltorganisation Greenpeace. Kaut oder lutscht ein Kleinkind an Spielzeug aus Weich-PC, dann nimmt es zwangsläufig über den Speichel die eingesetzten Phthalate auf. Doch selbst wenn Phthalat-haltige Spielzeuge für Kleinkinder vom Markt verschwinden würden, wäre die Gefahr nicht gebannt. Denn es ist kaum zu verhindern, daß Kleinkinder andere PVC-Produkte in den Mund nehmen. Das Wissenschaftliche Komitee für Toxikologie, Ökotoxikologie und Umwelt bei der EU- Kommission hat schwere Bedenken gegen die Verwendung von Weichmachern in Kinderspielzeug geäußert. Studien aus den Niederlanden und Österreich zeigen, daß von den in PVC-Produkten als Weichmacher eingesetzten Phthalaten vermutlich eine größere Gefährdung ausgeht als bisher angenommen. Insbesondere der Sicherheitsfaktor für die Phthalat-Variante DEHP (Di(2- ethylhexyl)phtalat) müsse drastisch herabgesetzt werden, so das Ergebnis.

Von den zahlreichen Phthalat- Arten wird hauptsächlich DEHP verwendet. Allein in Deutschland werden jährlich rund 200.000 Tonnen Phthalate verbraucht. Über 50 Prozent der Phthalatproduktion betrifft DEHP. Es wird nicht nicht nur als Zusatz in den PVC-Produkten verwendet, sondern auch in Lacken, Klebstoffen und Lösungsmitteln.

Mittlerweile sind Phthalate auf der ganzen Welt nachweisbar – selbst in der Atmosphäre über dem Atlantik oder Pazifik. Vor allem in den Städten sind hohe Konzentrationen festgestellt worden. Mit dem Regen gelangt das Gift auch in die Gewässer.

Kleinkinder nehmen Phthalate vor allem aus Kinderspielzeug auf. Dabei steht diese Substanzgruppe schon länger im Verdacht, Tumore auszulösen.

Die beiden jetzt fertiggestellten Studien aus den Niederlanden und Österreich bestätigten diesen Verdacht. Bei Fütterungsversuchen mit Nagetieren konnten verschiedene Krankheitssymptome durch Phthalate ausgelöst werden. Je nach der Art des Phthalats, das die Tiere ins Futter gemischt bekamen, traten körperliche Veränderungen ein: Lebertumore, Veränderungen der Nieren oder des Gewichts werden in der Stellungnahme des Wissenschaftlichen Komitees genannt. DEHP zum Beispiel schädigt die Hoden. Bei einem anderen Phthalat, BBP genannt, produzierten die Tiere weniger Spermien.

Andere Fragen zur Gefährlichkeit von Phthalaten sind noch offen. So bemerkte das Wissenschaftliche Komitee in seiner Stellungnahme, daß über andere Pthalat-Quellen nur beschränkte Aussagen möglich sind. Einer neueren Veröffentlichung zum Beispiel sei zu entnehmen, daß Kinder über die Muttermilch und Babynahrung größere Mengen an Phthalaten aufnehmen. Demnach würde ein acht Kilogramm schweres Kind täglich etwa 200 Mikrogramm DEHP mit der Nahrung zu sich nehmen. Das entspricht etwa einem Achtel der Menge, die dem Körper über Kinderspielzeug zugeführt werde. Zudem gibt es über die Aufnahme durch die Luft oder einfach über den Hautkontakt der Kinder mit dem Spielzeug bisher überhaupt keine Daten. Wolfgang Löhr