AKW Krümmel: Hausstaub wird erneut untersucht

■ Mit mehreren Gutachten und einem neuen Meßprogramm wird an der Elbe noch einmal nach Plutonium-Emissionen gefahndet. Briefe zugunsten der Physikerin Schmitz-Feuerhake

Hannover (taz) – Den Spuren von Plutonium, die die Bremer Physikerin Inge Schmitz-Feuerhake nahe dem AKW Krümmel im Dachbodenstaub gefunden hat, wird jetzt noch einmal in aller Ruhe und Gründlichkeit nachgegangen. Das Land Schleswig-Holstein hat inzwischen nicht nur drei gutachterliche Stellungnahmen in Auftrag gegeben, mit denen die Meßmethoden und auch die Schlußfolgerungen der Physikerin überprüft werden sollen. Zusammen mit Niedersachsen will das schleswig-holsteinische Energieministerium jetzt auch selbst nach dem Plutoniumfolgeprodukt Americium auf Dachböden der niedersächsischen Samtgemeinde Elbmarsch suchen lassen.

Sowohl das Sozialministerium in Hannover, als auch der Kieler Energiestaatssekretär Wilfried Voigt gehen gegenwärtig weiter davon aus, daß die Ursache für die Häufung von Leukämien bei Kindern in der dem AKW gegenüber gelegenen niedersächsischen Gemeinde immer noch nicht geklärt ist. Für Voigt kann von einem Freispruch des Atomkraftwerks keine Rede sein. Im Sozialministerium in Hannover heißt es, es sei aber auch noch nicht der Nachweis erbracht, das das AKW Ursache des Leukämieclusters in der Elbmarsch sei.

Für weitere Untersuchungen von Hausstaubproben aus Dachböden der Samtgemeinde, aus denen Aufschluß über schon Jahre zurückliegende Emissionen des AKWs zu erwarten ist, haben beide Länder jetzt je 50.000 Mark zur Verfügung gestellt. Je zehn Proben aus Krümmel und aus unbelasteten, reaktorfernen Gebieten sollen zum Vergleich in die Untersuchung einbezogen werden.

Schmitz-Feuerhake hatte in sieben der zehn von ihr analysierten Proben Spuren von Americium 241 gefunden, zu dem Plutonium 241 mit einer Halbwertszeit von 13 Jahren zerfällt. In den von ihr analysierten Vergleichsproben aus drei anderen Städten war kein Americium enthalten. Umstritten ist bisher jedoch der Schluß der Bremer Physikerin, daß das Americium auf Emissionen von Plutonium 241 des Reaktors in Krümmel zurückgeht. Kritiker führen dagegen auch ihre Meßergebnisse auf Rückstände der nun schon 30 Jahre zurückliegenden Atombombenversuche zurück.

Mit dem methodische Vorgehen und den Schlußfolgerungen von Inge Schmitz-Feuerhake wird sich nach Angaben des Energieministeriums in Kiel eine gemeinsames Gutachten des TÜV Nord, des Physikerbüros Bremen und des Ökoinstituts in Darmstadt auseinandersetzten. Weitere Gutachten des dem Bundesamt für Strahlenschutz unterstehenden Instituts für atmosphärische Radioaktivität und des TÜV Süd sollen Auskunft über Verbreitung von Americium in der Umwelt geben, bzw. die Meßmethoden der Bremer Physikerin noch einmal kritisch nachvollziehen.

Staatssekretär Voigt hat inzwischen von atomkritischen Wissenschaftlern Protestbriefe erhalten, die Schmitz-Feuerhake gegen Angriffe verteidigen. „Es lag uns fern, die wissenschaftliche Reputation von Frau Schmitz-Feuerhake in Frage zu stellen“, sagte gestern der Sprecher des Energieministeriums Marco Carini. Daß man ihre Befunde durchaus ernst nehme, zeige schon das umfangreiche Untersuchungsprogramm. Jürgen Voges