Weihnachten beim HSV

■ Anhänger des FC St. Pauli stürmten den Trainingsplatz des HSV, wollten den Spielern aber nicht an die Wäsche

Johlend stürzen 25 vermummte Gestalten auf die verdutzten Spieler des Hamburger SV zu. Mit lauten „St. Pauli“-Rufen bauen sie sich vor den Profis auf und ziehen Schokoweihnachtsmänner unter ihren Kapuzenpullovern hervor, den sie mit besten Wünschen zum Weihnachtsfest Anthony Yeboah und Co. überreichen.

„Das war keine inszenierte Aktion“, betonen die Anhänger des FC St. Pauli, die gestern die Trainingswiese in Ochsenzoll stürmten, „und die Idee stammt auch nicht aus dem Umfeld des Fanladens.“ Mit dieser Aktion wollten die Afficionados des Millerntor-Vereins nur klarstellen, daß für sie die Spieler der gegnerischen Mannschaft tabu sind. „Unter den Fans kann man sich verbal auseinandersetzen oder mit Sprechchören“, betonte einer der Beteiligten, „aber Gewalt muß immer außen vor bleiben.“ Außerdem sollte durch die Schokoladenpräsente demonstriert werden, daß Rache wirklich süß sei.

Die Profis nahmen die kurze Übungs-Unterbrechung relativ gelassen hin. „Bei Hermann Rieger könnt ihr euch einen Kaffee holen“, forderte Trainer Frank Pagelsdorf die Störer auf. Auch Martin Groth, Mittelfeldspieler des HSV, fand „die Aktion witzig. Aber wir können auch nichts dagegen machen, daß solche Hornochsen wie die Schläger vom Freitag in der Welt herumlaufen.“ Zumindest aber sollte sich die HSV-Mannschaft, so fordern die Fans des FC St. Pauli, von den Angreifern, die am vergangenen Sonnabend die Spieler ihres Vereins attackierten, distanzieren.

Auch Sortchef Holger Hieronymus fand die Aktion „origineller als die unserer Fans und auf jeden Fall ein Schritt in die richtige Richtung“. Gewalt dürfe auf keinen Fall mit Gegengewalt beantwortet werden. Immerhin hätte die Stuttgarter Staatsanwälte inzwischen Hinweise auf fünf der Täter, drei seien sicher identifiziert worden. Gegen diese will der Hamburger SV mit allen rechtlichen Mitteln vorgehen.

Inzwischen erhob Dieter Bänisch vom Verein Jugend und Sport, dem Träger der Fanprojekte beider Vereine, Vorwürfe gegen die Stuttgarter Polizei. „Die sind bereits im Stadion darauf hingewiesen worden, daß etwas am Kochen sei.“ Das sie nicht eingriff, läßt Platz für weitere Spekulationen. (Siehe auch Interview rechts.)

Immerhin gelang es gestern den Fans des FC St. Pauli, den Konflikt ein wenig zu entschärfen. Der HSV muß sich aber verstärkt Gedanken machen, wie solche Jagdszenen wie die vom vergangenen Wochenende in Zukunft verhindert werden können. Sonst meldet sich bald auch der Deutsche Fußball-Bund in den neuen Geschäftsräumen im Volksparkstadion.

Eberhard Spohd