Arbeit zwischen Rot und Grün

■ Von einem jungen Mann, der irgendwo in Hamburg schmutzige Windschutzscheiben putzt

Er ist 25 Jahre alt, verheiratet und lebt in Polen. Wenn er nicht gerade an den Ku'dämmen oder Pferdemärkten der Republik städtischen Staub von den Windschutzscheiben wartender Autos wischt. Seine Arbeitszeit: Von morgens bis abends zwischen Rot und Grün. Sein Arbeitsplatz: An einer Mammutkreuzung, zwischen Blech, Lärm und Gestank, in der Hamburger Innenstadt.

Das erste Mal habe er sich im vergangenen Jahr in Berlin als „Scheibenwischer“ verdingt. Und sich anschließend geschworen: Nie wieder. Kopfschmerzen bereiteten ihm nicht nur die Abgasschwaden, denen er dort Tag für Tag ausgesetzt war. Er komme sich dabei so vor, sagt er, als würde er betteln. Und entsprechend reagierten die Leute häufig auf sein Angebot: Befremden, Kopfschütteln, nein danke. Ihm sei das peinlich. Und deshalb möchte er seinen Namen lieber nicht sagen, und ein Foto hätte er auch nicht gern in der Zeitung.

Bevor er und ein paar Freunde vor einer Woche nach Hamburg kamen, hat er zwei Monate lang am Berliner Ku'damm Windschutzscheiben abgeseift. In Hamburg will er nun noch bis Ende des Monats bleiben. Das Geschäft läuft ganz gut, sagt er. Weil die Sonne anscheinend auch im mobilen Zweitwohnsitz das mulmige „Die Fenster hätten es auch mal wieder nötig Gefühl“ weckt. Und wenn es gut läuft, erklärt er den Bruch seines Nie-wieder-Schwurs, verdiene er hier an einem Tag mehr als den in seiner Heimat üblichen Wochenlohn - wenn er dort überhaupt Arbeit finde. Er sei es gewohnt, sein Geld „mit allem und überall“ zu verdienen. Einen „richtigen“ Beruf habe er nicht. Und in Deutschland sei ein anderer Job als der jetzige für ihn nicht drin, meint er. Weil er die Sprache nicht spricht.

Mit den Menschen hinter den Windschutzscheiben verständigt er sich durch Gesten und Blicke. Und wenn jemand „Ja“ nickt und anschließend nach dem Preis fragt, überläßt er es sowieso seiner Kundschaft, die Tarife zu bestimmen. Die mit den dicken Autos, bestätigt er ein gängiges Klischee, hätten besonders wenig für den Service übrig. Einer hätte ihm im Vorbeifahren allerdings einen Job angeboten. Den werde er mal anrufen, morgen, vielleicht. Stefanie Winter