Ja zum Tod

■ Iranisches Theater im Goldbekhaus

Ein Schuß fällt in der Dunkelheit: Der Eigentod ist vollstreckt. Beinahe ein Happy-End für einen erfolglosen Selbstmordkandidaten, der sich zuvor von seiner Familie Feigheit vor dem Leben und dem Tod vorwerfen lassen mußte.

In dieser heiklen Variante über die Frage eines erfolgreichen Lebens endete im Golbekhaus am Samstag abend die Aufführung des Stücks Dast Balaye Dast: zu deutsch Hand auf Hand. Die freie Gruppe Flaneure der Wüste griff mit dem Stück den iranischen Autor Golam-Hosein Sa'edi auf, der 1985 im Pariser Exil starb. Er war unter dem Schah ebenso verboten wie nach der Revolution.

Dast Balaye Dast erzählt die Geschichte zweier Brüder, die beide ihren Platz in der Gesellschaft gewählt haben. Der ältere als realitätsbejahender Eiferer, der weiß: „Man muß das Leben in Angriff nehmen.“ Der jüngere als Neinsager, dem auch das Ja zum Tod nicht recht gelingen will. Ein Rollenspiel, in dem deutlich wird, daß ohne Reflexion der eigenen Position innerhalb der Familie und damit der Gesellschaft Absolutheiten in die Isolation führen. „Ich mag keine Halbheiten, absolut nicht“, sagt der ältere Bruder. Daß er damit auf seinen Bruder verzichtet, entblößt seine Position. Der Wettstreit um die rechte Haltung könnte sich in jeder Gesellschaft in jeder Familie abspielen. Sie also steht in dieser Inszenierung auf dem Prüfstand.

In einer Gesellschaft mit intakten Familienstrukturen ist diese Parabel eine ernstzunehmende Botschaft. In Hamburg scheint das Thema überholt. Vielleicht mußte sich eine internationale Familie zusammenfinden, um die Rollenverteilung neu zu thematisieren.

Die Darsteller aus Holland, Belgien, Iran, Deutschland und England führten das iranisches Drama in deutscher Sprache auf. Im Publikum mischten sich entsprechend Franzosen, Iraner, Deutsche in ganz familiärer Stimmung. Auf multikultureller Ebene ist die Frage der Anpassung, des Fremdseins und des Neinsagens zur Fremde ein neuer Aspekt. Leider wurde dies in der Inszenierung nicht deutlich. Da haben es die Zuschauer schwer, den Bezug zu finden. Bei uns hat die Familie schon lange den Selbstmord hinter sich.

Elsa Freese

Weitere Aufführungen: 9.-11. 10. theatron,; 19., 20., 22. 10. Haus 3, jeweils 20 Uhr