Schönheitsoperationen & Schädelveränderungen

Die Kunst am Computer macht es möglich. Das Altonaer Museum zeigt digital erstellte Artefakte  ■ Von Hajo Schiff

Die Kulturverschiebungen sind seltsam: Da öffnet sich die eher konservative Hamburger Griffelkunst-Vereinigung den vielschichtigen Varianten der Computerkunst, und dann kommt Olga Tobreluts aus Sankt Petersburg, fordert bei der Graphikpreisvergabe eine Rücckehr zum Klassizismus und verwirrt mit einem dieser unsäglichen Manifeste, in denen sich die neue russische Szene in hemmungslosem Konservatismus ergeht.

Die Griffelkunst ist trotz ihres bewußt altmodischen Namens eine bundesweit hoch erfolgreiche Vermittlerin von graphischer Auflagenkunst. Für ihre vierte Preisverleihung an graphisch arbeitende Künstler saß der Allround-Medienkünstler Mike Hentz in der Jury, und die französische Performerin Orlan erhielt den ersten Preis. Orlans Themasind der Körper und seine Veränderungen: Bereits siebenmal hat sie Schönheitsoperationen an sich selbst zur öffentlichen Performance gemacht. Für die Einfühlung in die historischen Techniken der Schädelveränderungen und Hautüberstülpungen bei den Maya und Olmeken hat sie aber, so experimtell ist sie dann doch nicht, erst einmal die Computersimulation vorgezogen.

Ausgestellt werden diese manipulierten Selbstporträts zusammen mit rund 60 Arbeiten von 25 computerverwendenden Künstlern und Künstlerinnen noch bis Anfang des nächsten Jahres im Altonaer Museum. Dabei ergibt sich ein guter Überblick über die verschiedenen Arten des Umgangs mit heutiger Bilderzeugungstechnik. Christian Bilger zum Beispiel läßt eine selbstgebaute Maschine großformatige Graphitzeichnungen machen, Wolfgang Kiwus erzeugt wiederum serielle Zeichenketten mit einem inzwischen schon wieder altmodisch gewordenen Plottergerät.

Immer wieder wird der Computer benutzt, um fotografische Abbilder zu manipulieren. So werden bei Ralf Peters die Bilder nächtlicher Supermärkte von allen Signetinformationen befreit und wirken dann wie sakrale Farbinstallationen. Computergestützte Zeichnungen merkwürdiger Maschinenteile auf Folien kann Siegfried Fuhrmann durch Druckknöpfe immer neu kombinieren und bietet damit ein analoges Abbild virtueller Vernetzungen. Das macht umgekehrt auch Markus Häberlin, der ein Internetprogramm nutzt, um aus aller Welt Haare geschickt zu erhalten, die er zu einer menschlichen Weltkugel verfilzt.

Durch drei zweite Preise sind Brian Reffin Smith, Olga Tobreluts und Regula Dettwiler herausgehoben. Der Brite bleibt in seinen Zeichnungen der Ästhetik von Programmoberflächen nahe und zersetzt mit feiner Ironie typische Seiten lexikalischer CD-ROMs in einer eigenen „Zombie Art History“. Die neokonservative Russin scannt Bilder antiker Götter und Halbgötter ein und verpaßt ihnen nette Oberteile von Versace oder Lacoste. Und die in Wien lebende Schweizerin zeigt auf Aquarellbütten ausgedruckte Gartenbilder mit gepixelten Tulpen.

Was aber bedeutet die ständig wiederholte Aussage, mit dem Computer sei nun alles anders geworden ? Regula Dettwilers Bilder des virtuellen Gartens sind zwar fiktiv und fast schon beliebig – aber auch ein Barockfürst hat seine neue Gartenanlage niemals fertig gesehen und brauchte für seine Imagination schon damals Zeichnungen und Stiche.

„Kunst und Computer“, Altonaer Museum, bis 10. Januar 1999