„Bremen droht Gefahr“

■ Senats-Bericht über Sanierungs-Verhandlungen / Ziel im ersten Anlauf verfehlt / Arbeitsgruppe soll helfen

„Die Verhandlungen mit den Ländern laufen noch“, mit diesen Worten beschreibt das Bundesfinanzministerium die festgefahrene Lage im Streit um die Fortsetzung der Sanierungshilfen für Bremen und das Saarland. Daß die noch von Theo Waigel (CSU) versprochene Summe in den Bundeshaushalt 1999 eingearbeitet werden soll, hat der neue Bundesfinanzminister Oskar Lafontaine zugesagt, bloß gedeckt ist dieses Versprechen bis heute nicht. Waigel hatte die Summe unter den Vorbehalt gestellt, daß die Länder sich mit 50 Prozent beteiligen. Das lehnen die aber strikt ab.

Auch in den vergangenen fünf Jahren waren die Länder nur indirekt an der Sanierungshilfe beteiligt. Die neue Bundesregierung will so verfahren: Das Geld soll im Bundeshaushalt stehen, die Länder sollen aber im Gegenzug an der Erhöhung des Kindergeldes ab 1.1.1999 beteiligt werden. Darüber ist bisher kein Konsens erzielt worden. Wenn der hessische Ministerpräsident Willi Eichel jüngst verbreitete, der Bund wolle die volle Summe zahlen, ist die Kehrseite dieser Aussage nur so zu verstehen, daß das rotgrün regierte Hessen nach wie vor nicht bereit ist, sich an der Sanierungshilfe zu beteiligen.

Die bisher im Raum stehende Zahl von 3 Milliarden Mark für 1999 ist aus der Steuerschätzung 1997 abgeleitet. Da die Finanzlage Bremens sich nach der diesjährigen Steuerschätzung im Bundes-Vergleich deutlich verschlechtert hat, dürften die neuen Zahlen um schätzungsweise 20 Prozent höher liegen. Wie hoch genau, wollte die AfB-Abgeordnete Elke Kröning vom Finanzsenator wissen. „Wegen der andauernden Verhandlungen ist es zur Zeit nicht zweckmäßig, Forderungen bezüglich der Sanierungsvolumina öffentlich zu machen“, wird der Finanzsenator auf ihre Frage in der kommenden Woche in der Bürgerschaft antworten. Tatsache ist allerdings, daß der Finanzsenator in Bonn überhaupt nicht verhandelt. Das Thema Bremen/Saarland ist Teil eines komplizierten Steuerpakets, über das der Bundesfinanzminister Lafontaine mit den Ländern redet. Da müßten neue Zahlen von Bremen schon offiziell eingebracht werden, wenn sie Berücksichtigung finden sollten. Denn wenn es in den nächsten Wochen zu einem Kompromiß kommt, dann geht das nur mit festen Summen. Und solange keine neuen auf dem Tisch liegen, gelten die alten. „Wir gehen von den 3 Milliarden aus, es gibt keine aktuellere Schätzung“, sagt die Sprecherin des Bundesfinanzministers. In dem internen Bericht des Senats über den Stand der Verhandlungen steht zu dem Thema nur lapidar: „Zur Höhe der weiteren Sanier-ungsleistungen gibt es noch Verhandlungsbedarf.“

Auf diese eher passive Haltung bezieht sich die Verärgerung von Elke Kröning über Finanzsenator Hartmut Perschau. „Er hat schon in der Vergangenheit es nicht für nötig befunden, mit den Ländern zu reden“, kritisiert sie. Weder habe er zu Zeiten der CDU-Bundesregierung mit Waigel und dem Bundesfinanzministerium darüber verhandelt, wie die in einem Brief versprochenen 3 Milliarden in der Haushaltsplanung Berücksichtigung finden könnten, noch habe er versucht, wichtige Länderfinanzminister als Bündnispartner zu gewinnen. Daß Perschau sich jetzt nicht traut, die aktualisierten höheren Zahlen auf den Tisch zu legen, ist für Kröning ein eindeutiger Hinweis: „Ich traue ihm nicht zu, ein besseres Verhandlungsergebnis für Bremen herauszuholen.“

In dem internen Senatsbericht geht es auch um den Komplex des bundesstaatlichen Finanzausgleichs, über den Bremen derzeit „in erheblichem Umfang Leistungen“ erhält. In der Debatte über die Reform des Bund-Länder-Finanzausgleichs, der ab dem Jahre 2004 neu zu regeln ist, stecke „ein erhebliches Gefahrenpotential“ für Bremen: Es könne „im Ergebnis“ der Verhandlungen nicht damit gerechnet werden, daß dieser Umfang gesteigert wird.“ Auf deutsch: Die Geberländer wollen nicht mehr geben, sondern weniger. Die Hoffnung, über eine Neuregelung der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern mehr Geld nach Bremen zu bekommen, ist also zumindest sehr gewagt.

Um so wichtiger, daß Bremen seine Finanzen selbst saniert. Das 1992/93 beschlossene Sanierungsprogramm, das bis Ende des Jahres 1998 läuft, hat sein Ziele nicht erreicht, räumen Senatskanzlei und Finanzsenator in ihrem Bericht aber ein. „Auch im fünften Jahr der Haushaltssanierung ist trotz geringer Zuwachsraten bei den bereinigten Gesamtausgaben wegen der massiven bundesweiten Steuer-Mindereinnahmen ein nachhaltiger Konsolidierungsfortschritt noch nicht erreicht“, heißt es da. Die Deckungsquote des Haushaltes liege bei 79 Prozent, die Zins-Steuer-Quote bei 25 Prozent. Dabei sind in der letzteren Zahl die 2,2 Milliarden Schulden aus den Schatten-Haushalten nicht mit berechnet.

Mit einer weiteren Verlängerung der Sanierungshilfen über das Jahr 2003 hinaus kann kaum gerechnet werden, stellt der Senat fest. Die Erklärung des Senats, daß das Sanierungsprogramm Teil 1 wegen der einbrechenden Steuer-Einnahmen sein Ziel nicht erreichen konnte, würde nach den Sanierungszahlungen Teil 2 nicht mehr ziehen: „Ein Scheitern der Sanierungsbemühungen – aus welchen Gründen auch immer – wird beim Bund und den Ländern den kaum auszuräumenden Eindruck hervorrufen, daß das kleinste Bundesland auch mit weiteren Sanierungsleistungen nicht konsolidiert werden könne.“

Wie dies vermieden werden kann, soll eine Arbeitsgruppe klären. Bisher fällt Rathaus und Finanzsenator dazu nur ein kategorischer Imperativ ein: „Innerhalb der nächsten sechs Jahre muß Bremen“ erreichen, „daß nach Abschluß des Sanierungszeitraums das Sanierungsziel erreicht werden kann.“ Unter dem Spiegelstrich „finanzwirtschaftliche Auswirkungen“ dieser Erkenntnis steht dann nur noch: „Noch nicht quantifizierbar“.

Für die Größenordnung, um die es geht, gibt es aber einen Fingerzeig: Für den Etat 1999 dürften „außerordentlichen Erträge“ durch Verkaufserlöse, Bonner Sanier-ungshilfen und versteckte Schatten-Schuldenaufnahmen sich auf mehr als 20 Prozent des Etatvolumens summieren. K.W.