Verunsicherte Tennis-Borussen suchen sicheren Coach

■ Der Zweitligist aus Charlottenburg steckt in einer vorweihnachtlichen Sinnkrise. Mit einem Sieg gegen St. Pauli würden aber die Chancen von Interimstrainer Levy steigen

„Wir müssen uns in die Winterpause retten“, beschwor Jan Schindelmeiser, Manager des Fußball- Zweitligisten Tennis Borussia, die Seinen nach der 0:2-Niederlage in Ulm. Vor zwei Wochen im Schwabenland stellten sich die Berliner derart unprofessionell an, daß selbst eingefleischte Fans es kaum noch leugnen konten: TeBe steckt in einer Krise.

Nicht einmal so sehr in sportlicher Hinsicht, denn in der Tabelle belegen die Borussen weiterhin einen hervorragenden vierten Platz. Und ein Heimsieg am kommenden Montag gegen St. Pauli (19.30 Uhr, Mommsenstadion) würde die Hoffnung der Berliner auf den Sprung in die Bundesliga nähren. Es sind vielmehr atmosphärische Störungen, die das Vereinsschiff vom Erfolgskurs abzubringen drohen.

Am 28. Oktober war die Welt noch in Ordnung. Mit 4:2 besiegte TeBe in einem denkwürdigen Pokalspiel im Olympiastadion den haushohen Favoriten Hertha BSC. Knapp einen Monat später feuerte der Sieger zur allgemeinen Verwunderung seinen erfolgreichen Trainer Hermann Gerland. Der hatte sich nicht frühzeitig auf eine weitere Zusammenarbeit über das Vertragsende im Sommer 1999 hinaus festlegen wollen und sich Bedenkzeit bis Weihnachten erbeten.

„Wir waren uns in allen Punkten einig, es fehlte nur Hermanns Unterschrift“, wunderte sich TeBe-Präsident Kuno Konrad. Doch Gerland, dem ein ebenso lukratives Angebot von Zweitliga-Konkurrent Bielefeld vorlag, wollte in Ruhe überlegen, ob er in die westfälische Heimat zurückkehrt, wo seine kranke Mutter Ilse (77) in Bochum auf die Hilfe ihrer Kinder angewiesen ist. Ein Trainer mit Herz, selten genug in der knallharten Profibranche.

Dem setzte der Hauptsponsor der Borussen, die „Göttinger Gruppe“, in der besinnlichen Adventszeit die kalte Logik des Kapitals entgegen. Der Finanzkonzern, der bei TeBe Regie führt und für einen stattlichen Saisonetat von 15 Millionen Mark sorgt, fühlte sich vom leitenden Angestellten Gerland offensichtlich genasführt. Der Coach mußte seinen Arbeitsplatz räumen, weil er den Erfolg des Ganzen gefährdete. „Das Angebot aus Bielefeld hat Unruhe in den Verein gebracht. Wir mußten handeln. Wenn die Sache schiefgegangen wäre, hätte es geheißen, der Vorstand hat gepennt“, begründete Konrad den Rauswurf seines Duzfreundes.

Angeblich zeichnete aber nicht Kumpel Kuno für die Entlassung verantwortlich, sondern die Fußball-Laien im Aufsichtsrat des Göttinger Finanzdienstleisters, die TeBe hauptsächlich vom Konzern- Organigramm her kennen, „ihre“ Elf aber bisher kaum spielen sahen. „Die Entscheidung gegen Gerland fiel einstimmig, sowohl im Vorstand als auch im Aufsichtsrat“, dementiert Konrad zwar unsportliche Einflüsse. Aber ein Hauch von „schöner neuer Fußball-Welt“ wabert seitdem über dem Mommsenstadion.

Seit Ende November trainiert nun der bisherige Assistent Stanislav Levy die Mannschaft. Trotzdem will keine Ruhe einkehren. Ständig wird die Interimslösung Levy, der sich Hoffnungen auf eine dauerhafte Beförderung zum Chefcoach macht, mit Namen potentieller Vorgesetzter konfrontiert.

Horst Ehrmanntraut, jüngst bei Bundesligist Eintracht Frankfurt gefeuert, scheint die besten Karten zu haben. Zumal der frühere Hertha-Spieler mit einer Berliner Schauspielerin liiert ist und in Charlottenburg eine Wohnung besitzt. „Levy hat unser Vertrauen. Am liebsten würde ich mit ihm in die Bundesliga aufsteigen“, beteuert TeBe-Boß Konrad immer wieder.

Aber wie die Göttinger Konzernspitze darüber denkt, weiß niemand. Noch vor Weihnachten soll in der Trainerfrage ein Machtwort gesprochen werden. Sollte Levy die Borussen mit zwei Siegen auf einem Aufstiegsrang überwintern lassen, so TeBe-Manager Jan Schindelmeister, ständen seine Chancen nicht schlecht, einen Trainervertrag unter dem Weihnachtsbaum zu finden.

„Außerdem ist“, so Schindelmeister, „nicht ausgeschlossen, daß wir bis zum Ende der Wechselfrist Mitte Januar nächsten Jahres den Kader noch einmal aufstocken.“ Damit endlich wieder Ruhe einkehrt auf dem profitablen Weg der „Veilchen“ in die erste Bundesliga. Jürgen Schulz