Frankreichs zwiespältiges neues Gesicht in Afrika

■ Weniger sichtbare Präsenz, dafür ungeminderter Einfluß hinter den Kulissen: Wie Frankreichs „neue Afrikapolitik“ in der Realität der Zentralafrikanischen Republik aussieht

Bangui (taz) – Als die französischen Soldaten in der Zentralafrikanischen Republik im April dieses Jahres ihr Hauptquartier in der Hauptstadt Bangui an die UNO übergaben, formulierte eine lokale Zeitung eine Wunschliste an die neuen Gäste. Um sich von den Franzosen zu unterscheiden, schrieb das Blatt Le Novateur, sollten die UN-Blauhelme „sexuelles Herumvagabundieren“ unterlassen und auch nicht auf Sauf- und Kifftour durch Bangui ziehen. Die im französischen Militärcamp angesiedelte „Mafia“ von Kunsthändlern möge verschwinden, ebenso das französische Einkaufszentrum, das mit seinen Billigpreisen die Händler ringsum ruiniere.

Jahrzehntelang diente die Zentralafrikanische Republik den Franzosen als Exerzierplatz sowie als Drehscheibe für Militärinterventionen im Tschad, in Zaire und in Ruanda. Nun will Frankreich im Zuge der laufenden Revision seiner Afrikapolitik militärische Alleingänge in Afrika unterlassen. Statt dessen werden multinationale afrikanische Eingreiftruppen aufgebaut. Paris finanziert sie und sorgt für ein UNO-Mandat. Die Stationierung von 1.620 UN- Blauhelmen in der Zentralafrikanischen Republik im April zur Beendigung einer Armeemeuterei und Überwachung freier Parlamentswahlen war die erste Probe dieser neuen Politik, die nach französischen Vorstellungen demnächst auch in der Demokratischen Republik Kongo praktiziert werden könnte. Insgesamt reduziert Frankreich seine Militärpräsenz in Afrika um ein Drittel, wobei die Zentralafrikanische Republik als einziges Truppenstationierungsland alle ihre 3.500 französischen Soldaten verloren hat – außer den 203, die bei der UN- Truppe geblieben sind.

Die noch aus Kolonialzeiten stammende Militärpräsenz Frankreichs hinterließ in der Zentralafrikanischen Republik neben schlechten Erinnerungen auch ein geradezu unterwürfiges Abhängigkeitsverhältnis zur einstigen Kolonialmacht. Anders als sonstwo im frankophonen Afrika bekommt man hier auf die Begrüßung „Bonjour!“ immer noch ein koloniales „Merci!“ zur Antwort, oft begleitet von demütig an die Brust gehobenen Händen. Supermärkte in Bangui ähneln französischen Gemischtwarenläden. Der französische Buchladen im Zentrum der Hauptstadt führt jede Menge Bücher und Zeitschriften über Frankreich, aber nichts aus der Zentralafrikanischen Republik selber oder auch nur über sie.

Es gibt noch verborgenere Abhängigkeitsverhältnisse. Viele einheimische Politiker besitzen neben der zentralafrikanischen auch die französische Staatsbürgerschaft. Im zentralafrikanischen Parlament, das morgen im zweiten Wahlgang neu gewählt wird, sitzt somit dem Paß nach eine beachtliche Fraktion von Franzosen, von denen manche sogar französischen Parteien angehören.

Es verwundert daher nicht, wenn Beobachter hinter jeder politischen Krise sofort eine französische Hand zu erkennen meinen, was nicht gleichbedeutend sein muß mit einer Einmischung Frankreichs als Staat. Alle bisherigen zentralafrikanischen Präsidenten verdanken ihre Machtergreifung dem Einwirken Frankreichs – sogar der demokratisch gewählte derzeitige Amtsinhaber Ange-Félix Patassé konnte 1993 sein Amt erst einnehmen, nachdem Paris dem störrischen Diktator und Wahlverlierer André Kolingba kräftig auf die Füße trat. Die Meuterei Kolingba-treuer Soldaten gegen Patassé 1996 und 1997, die das Land an den Rand des Bürgerkrieges trieb und dann zur Stationierung einer UNO-Blauhelmtruppe führte, führen Regierungsanhänger naturgemäß ebenfalls auf französisches Strippenziehen zurück – und ihr Scheitern wird von Anhängern der Meuterei als französischer Verrat empfunden.

Daß die Zentralafrikanische Republik von Paris komplett militärisch aufgegeben wurde, haben Gegner der Regierung selbstverständlich wieder als Signal gedeutet, Frankreich wolle Präsident Patassé schwächen. Patassé offenbar auch: Er wirft Oppositionellen gerne vor, französische Söldner zu rekrutieren, und im Mai und Oktober wies er bei der französischen Botschaft in Bangui angestellte französische Militärs aus dem Land. Dominic Johnson