Wer nicht spurt, der fliegt

■ Umbesetzung der Fünf Wirtschaftsweisen auf Gewerkschaftsdruck

Berlin (taz) – Einer der Fünf Wirtschaftsweisen in Deutschland muß im April nächsten Jahres seinen Hut nehmen. Die Bundesregierung bestätigte gestern einen Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), wonach der Arbeitsmarktexperte Wolfgang Franz den Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung verlassen soll. Verantwortlich für die personelle Umschichtung sind offenbar die Gewerkschaften, die über einen Sitz in dem Sachverständigenrat – den seinen – mitbestimmen dürfen.

Laut FAZ war Franz bei ihnen wegen des jüngsten Jahresgutachtens der Wirtschaftsweisen in Ungnade gefallen. Er ist derjenige im Gremium, der besonders engen Kontakt mit den Gewerkschaften halten soll und deshalb als ihr Vertrauensmann gilt. Nun wird ihm Vertrauensbruch vorgeworfen. Anstatt im Jahresgutachten die Notwendigkeit einer nachfrageorientierten Wirtschafts- und Finanzpolitik hervorzuheben und damit die Gewerkschaftsmeinung deutlich zu machen, habe Franz sich auf die Seite der Angebotstheoretiker gestellt. Damit sei der Sachverständigenrat zu einseitig geworden. In ihrem Jahresgutachten hatten die Wirtschaftsweisen heftige Kritik an der rot-grünen Bundesregierung geübt. Sie setze zu sehr auf eine Stärkung der Binnennachfrage, anstatt die Angebotspolitik der alten Bundesregierung, die vor allem auf Entlastungen für Unternehmen setzte, weiterzuverfolgen.

Die Mitglieder des Sachverständigenrats werden auf Vorschlag der Bundesregierung vom Bundespräsidenten berufen. Die Gewerkschaften können einen der Kandidaten vorschlagen. Zwar ist die Regierung an den Vorschlag nicht gebunden, sie wird ihn aber gern nutzen, um rasch einen Nachfragetheoretiker in den Rat zu holen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund wollte gestern zu den Querelen um Franz keine Stellung nehmen. Der Wirtschaftsweise selbst war bis Redaktionsschluß nicht zu erreichen. kat