Terror gegen Irans Schriftsteller

Seit Mittwoch nachmittag ist in Teheran erneut ein Dissident verschwunden. Auch er trat aktiv für die Gründung eines unabhängigen iranischen Schriftstellerverbandes ein  ■ Von Beate Seel

Berlin (taz) – Am selben Tag, an dem die Leiche des vermißten Literaten Mohammad Mohtari in einem Teheraner Leichenschauhaus gefunden wurde, ist in der iranischen Hauptstadt erneut ein kritischer Schriftsteller verschwunden. Von dem 45jährigen Essayisten und Übersetzer Mohammad Jafar Pujandeh fehlt seit Mittwoch nachmittag jede Spur. „Wir haben alle Leichenschauhäuser kontaktiert, das Amt des Gerichtsmediziners, aber nichts erfahren“, sagte seine 17jährige Tochter gegenüber der Nachrichtenagentur AP. „Nach dem, was kürzlich Schriftstellern passiert ist, rechnen wir mit dem Schlimmsten.“

Die Umstände des Verschwindens der beiden Schriftsteller ähneln sich. Während Mohtari von einem kurzen Einkauf nie zurückkehrte, verschwand Pujandeh, nachdem er sein Büro verließ. Nach Angaben des britischen Rundfunksenders BBC hatte er zuvor noch seine Familie angerufen und mitgeteilt, daß er auf dem Heimweg einen Verleger aufsuchen wollte. Dort kam er nie an.

Eine weitere Parallele: Wie Mohtari gehörte Pujandeh einer Gruppe von 134 iranischen Schriftstellern an, die im Jahre 1994 einen aufsehenerregenden Appell für die Gründung eines unabhängigen Schriftstellerverbandes unterzeichnet hatten. Beide gehörten außerdem zu einer Gruppe von acht Schriftstellern, die versuchten, einen solchen Verband über politische Gräben hinweg ins Leben zu rufen. Und beide waren deswegen im Oktober zusammen mit vier weiteren prominenten Dissidenten mehrfach von einem Gericht vernommen worden. Nach Angaben aus Schriftstellerkreisen verlangte das Gericht, daß die Intellektuellen ihre Pläne zur Neugründung des verbotenen Schriftstellerverbandes fallenlassen.

Die aktuellen Fälle weisen bezeichnende Parallelen zu dem Tod von Ebrahim Zalzadeh im Jahre 1997 auf, der ebenfalls die „Erklärung der 134“ unterzeichnet hatte. Er verschwand am 22. Februar in Teheran, als er mit dem Auto sein Büro verließ, um nach Hause zu fahren. Am 31. März erfuhr ein Freund seiner Familie, der Verleger und Journalist liege in einem Leichenschauhaus. Er sei Opfer eines Überfalls geworden. Der oder die Täter hätten ihr Opfer mit mehreren Messerstichen getötet. Auch damals ging die Familie von einem Mord durch den iranischen Geheimdienst aus. Diese These wurde gestärkt durch zahlreiche Ungereimtheiten in den Erklärungen der Behörden.

Allein in den letzten drei Wochen sind im Iran nunmehr vier regimekritische Schriftsteller auf mysteriöse Weise ums Leben gekommen. Mit Punjadeh sind außerdem zwei Schriftsteller verschwunden. Der internationale PEN-Club will nun das Europäische Parlament in einer Resulution auffordern, sich für eine Reise von Verbandsmitgliedern stark zu machen. Die Autoren wollen vor Ort versuchen, die Serie der dubiosen Todesfälle aufzuklären.