Abgeordnete entscheiden über Clinton

■ US-Rechtsausschuß billigt alle vier Anklagepunkte gegen Clinton. Entscheidung im Repräsentantenhaus fällt noch in dieser Woche

Washington (taz) – „Wach auf Amerika, man ist dabei deinen Präsidenten zu stürzen“, rief erregt der Demokratische Abgeordnete Robert Wexler aus Florida, als am Freitag nachmittag im Rechtsausschuß des US-Repräsentantenhauses die Abstimmung über den ersten der vier Anklagepunkte gegen den US-Präsidenten in der Lewinsky-Affäre begann. „Ich gäbe alles dafür, ungeschehen zu machen, was ich getan habe“, beteuerte fast zeitgleich Bill Clinton. Im Rosengarten des Weißen Hauses gab er eine reumütige Erklärung ab, deren schönste Passage einem Gedicht des persischen Mystikers Omar Kayam entstammt: „Finger bewegen sich, schreiben und fahren fort. Nicht alle deine Frömmigkeit und nicht dein Witz können sie zurückholen, um davon auch nur eine halbe Zeile zurückzunehmen, noch all deine Tränen ein einziges Wort auslöschen.“

Doch weder der Hilferuf des Abgeordneten Wexler noch die poetisch verbrämte Reue des Präsidenten konnten die Abstimmung über die vier Anklagepunkte aufhalten, für die der Rechtsausschuß zwei Tage brauchte. Sie beschuldigen Clinton des Meineids in zwei Fällen, der Zeugenbeeinflussung und der Beweismittelunterschlagung sowie des Amtsmißbrauchs. Ein Gegenentwurf, der den Präsidenten nur abmahnen würde, wurde mit der republikanischen Mehrheit von 21 zu 16 Stimmen abgelehnt. Damit wurde nach Andrew Johnson 1868 und Richard Nixon 1974 zum dritten Mal in der Geschichte der USA ein Amtsenthebungsverfahren gegen einen Präsidenten eingeleitet. Die Resolution des Rechtsausschusses wird voraussichtlich am Donnerstag dem Plenum des Repräsentantenhauses vorgelegt. Sollte die Mehrheit der 435 Abgeordneten auch nur einem der Anklagepunkte zustimmen, geht die Affäre im Januar vor den Senat. Dort wäre allerdings eine Zweidrittelmehrheit für eine Amtsenthebung notwendig.

„Wenn euch die Allgegenwart Monicas zum Hals heraushängt“, rief Wexler der Bevölkerung zu, „wartet's ab, das ist noch gar nichts.“ Bei einem Verfahren gegen Clinton vor dem Senat „wird Amerika sich der Welt als absurdes Theater präsentieren“.

„Wir sind ein starkes Land“, tröstete ein republikanischer Abgeordneter seine demokratischen Kollegen, „wir stehen das durch.“ „Das wird Amerika noch tiefer spalten“, meinte dagegen Präsidenten-Anwalt Greg Craig, „und die Regierungsarbeit zum Erliegen bringen.“ Clinton landete derweil in Israel, um das Wye-Abkommen zu retten.

Während die Entscheidung des Rechtsausschusses nie in Zweifel stand, wird die Abstimmung im Plenum mit Spannung erwartet. Die Republikaner haben dort zwar eine Mehrheit von elf Stimmen, und sogar drei Demokraten wollen gegen ihren eigenen Präsidenten stimmen. Aber eine bisher unbekannte Zahl von Republikanern will gegen die Amtsenthebung stimmen. Während das Weiße Haus vorgibt sich jeder Beeinflussung zu enthalten, hat ein heftiges Ringen um die unentschiedenen Abgeordneten begonnen.

Umfragen zufolge sind 60 Prozent der US-Bürger gegen eine Amtsenthebung. Geht es nach den Einschaltquoten des Fernsehens, scheint das Interesse an dem Verfahren nicht sehr groß. Allerdings brach eine gebührenfreie Telefonleitung zum Kongreß, die Wählern ermöglicht, ihren Abgeordneten die Meinung zu sagen, wegen Überlastung zusammen. Peter Tautfest

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