Der Ausstieg wird schon mal sondiert

Schon heute Treffen des Bundeskanzlers mit deutschen Atomvorständen. Umweltministerium: Stopp der Wiederaufarbeitung ohne Entschädigung für Stromkonzerne möglich. BI will Konsens begleiten  ■ Von Jürgen Voges

Hannover (taz) – Bundeskanzler Schröder will sich heute in Bonn mit den Vorstandsvorsitzenden der großen Stromkonzerne treffen. In der Runde im Bundeskanzleramt, zu der unter anderem die Vorstandsvorsitzenden von Veba, RWE und Viag eingeladen sind, sollen die formellen Konsensgespräche über einem Ausstieg aus der Atomkraft vorbereitet werden. Die sollen Anfang kommenden Jahres beginnen, Schröder will sie selbst moderieren.

Der für den Atomausstieg zuständige Ressortminister, Bundesumweltminister Jürgen Trittin, wird heute im Bundeskanzleramt nicht mit am Tisch sitzen. Er sei über das Sondierungsgespräch informiert, werde an ihm nicht teilnehmen, fühle sich aber auch nicht ausgeschlossen, sagte Trittin gestern nach dem Grünen-Bundesparteitag in Leipzig. Er habe erst kürzlich selbst mit führenden Vertretern der Energiewirtschaft über den Atomausstieg und die anstehende Änderung des Atomgesetzes gesprochen. „Noch in dieser Woche werde ich ein weiteres Gespräch mit den Energieversorgern führen“, sagte er gestern der taz.

Das Atomgesetz soll im Januar in den Bundestag

Die erste Änderung des Atomgesetzes, die im Januar noch vor Beginn der Energiekonsensgespräche in den Bundestag eingebracht werden soll, ist Trittin zufolge bis auf wenige Einzelpunkte fertig. Der Gesetzentwurf, der unter anderem den Ausstieg zum Ziel des Atomgesetzes erklären soll und die Genehmigung neuer AKWs ausschließen will, befinde sich „in der Abstimmung mit dem Bundeskanzleramt, dem Wissenschafts- und dem Bundeswirtschaftsministerium“. Gegenüber dem bereits bekanntgewordenen Gesetzesvorschlag sei der Entwurf gestrafft und präzisiert worden. Er folge Punkt für Punkt der rot-grünen Koalitionsvereinbarung.

Bei Bundeswirtschaftsminister Müller stoße in dem Gesetzentwurf aber noch das Verbot der Wiederaufarbeitung abgebrannter Brennelemente auf Kritik, das sich aus der Vorgabe des rot-grünen Koalitionsvertrages ergibt, die „Entsorgung auf die direkte Endlagerung zu beschränken“. Müller störe die mit dem WAA-Verbot verbundene Auflösung der steuerfreien Rückstellungen bei den Stromkonzernen, sagte Trittin.

Das Bundesumweltministerium hatte die Vorlage der Atomgesetznovelle vor zwei Wochen zunächst zurückgestellt und von den AKW- Betreibern die Vorlage ihrer Wiederaufarbeitungsverträge erbeten, nachdem diese bei einem WAA- Verbot staatliche Entschädigungszahlungen verlangt hatten. Schon Mitte vergangener Woche lagen dem Bundesumweltministerium dann fast alle Verträge über die Wiederaufarbeitung vor. Nach Angaben der Pressestelle des Bundesumweltministeriums ergab deren Prüfung, daß bei einem WAA- Verbot keineswegs Vertragsstrafen der deutschen AKW-Betreiber an die Wiederaufarbeiter in Frankreich und Großbritannien fällig werden und somit ein Verbot ohne Entschädigung möglich ist. Nach Angaben der BI Lüchow-Dannenberg wollen bei aller Skepsis gegenüber den rot-grünen Ausstiegsplänen auch viele Bürgerinitiativen und regierungsunabhängigen Organisationen den Beginn der Konsensgespräche mit Aktionen und Demonstrationen begleiten.