Thüringens SPD verschiebt Streit um PDS

Die SPD in Thüringen kürte ihren Innenminister Richard Dewes mit 91 Prozent zu ihrem Spitzenkandidaten. Eine Auseinandersetzung um den künftigen Umgang mit der PDS wurde vom Parteitag vermieden  ■ Von Nick Reimer

Dresden (taz) – Nach Punkten steht es eins zu eins. Richard Dewes hat ausgeglichen. Mit etwas mehr als 91 Prozent der abgegebenen Stimmen hatte die CDU vor Wochenfrist Thüringens Ministerpräsident Bernhard Vogel als Spitzenkandidaten in den Landtagswahlkampf geschickt. Am vergangenen Samstag zog die SPD auf einem Sonderparteitag in Günthersleben-Wechmar nahe Gotha nach: Auch Thüringens SPD-Chef Richard Dewes – Vogels Widersacher in der Großen Koalition – erhielt als Spitzenkandidat über 91 Prozent.

Dabei war im Vorfeld spekuliert worden, die Abgeordneten könnten Dewes wegen dessen rot- roter Liebäugelei abstrafen. Allen Spekulationen zum Trotz lief der Parteitag aber alles andere als kontrovers über die Bühne. Jegliche Diskussion um die PDS wurde vermieden. Zum Tagesordnungspunkt 6 – der Aussprache zur Rede des neuen Spitzenkandidaten – gab es ganze drei Wortmeldungen. PDS kam in ihnen nicht vor.

Dewes hatte – Tagesordnungspunkt 5 – anderthalb Stunden geredet. Im 21seitigen Manuskript war lediglich eine knappe Seite den Postkommunisten gewidmet. Dewes leitete die Passage mit einem „ich komme nicht umhin, einiges zur PDS zu sagen“ ein. Mit Entsetzen und Abscheu habe er „diesen Amnestievorschlag“ zur Kenntnis genommen und die Thüringer PDS aufgefordert, sich vom Vorstoß ihrer rechtspolitischen Sprecherin im Bundestag klar zu distanzieren. Dewes sagte, er werde alles dafür tun, „daß die Grenze zwischen Opfern und Tätern niemals verwischt wird“. Doch er beließ es nicht nur bei Ratschlägen und Forderungen, sondern setzte den möglichen Regierungspartner unter Druck. „Thüringens PDS hat mit der Verweigerung ihrer Stimmen zum Stasi-Überprüfungsgesetz eine Chance vertan“, sagte Dewes, der auch Innenminister ist. Eine Zustimmung wäre ein Signal für die Öffentlichkeit gewesen, daß „Aufarbeitung von Vergangenheit bei der PDS nicht bloß Worthülsen sind, sondern tatsächlich stattfindet“. CDU und SPD hatten im Erfurter Landtag ein Gesetz verabschiedet, durch das Abgeordnete auf Stasi-Mitarbeit überprüft und bei einer Zusammenarbeit ihr Mandat verlieren sollen.

„Nein“, erklärte Walter Pilger vom SPD-Kreisverband Mühlhausen, Druck sei keiner auf ihn ausgeübt worden. Pilger wollte ursprünglich die Delegierten über einen Initiativ-Antrag abstimmen lassen, nachdem die Zusammensetzung der künftigen Koalition per Mitgliederentscheid von der Basis abgestimmt wird. Die Mühlhausener Genossen wollen so verhindern, daß ein Spitzenkandidat Dewes qua Amt den Wahlkampf auf eine rot-rote Mehrheit zuschneidet. Der Antrag sei an reinen Satzungsformalien gescheitert, sagte Pilger. Das Thema sei aber nicht vom Tisch. „Es ist mir fast lieber, darüber erst auf dem nächsten Parteitag im Mai entscheiden zu lassen“, so der Mühlhausener Sozi. Bis dahin hätten alle Seiten genügend Zeit, sich mit der Idee zu befassen. Obwohl der Antrag nicht gestellt wurde, nahm Dewes in seiner Rede Bezug darauf. „Wenn die Partei einen Mitgliederentscheid wünscht, stehe ich persönlich als Garant dafür, daß er auch stattfindet.“

Während die Stimmen für Dewes – Tagesordnungspunkt 8 – ausgezählt wurden, richtete ein besonderer Gast sein Grußwort an die Delegierten: Mecklenburgs Harald Ringstorff, SPD-Regierungschef einer Koalition mit der PDS, war gekommen, um seinen thüringischen Kollegen mit einer zwanzigminütigen Rede zu unterstützen. „Als Nachfolgerin der SED ist die PDS natürlich durch ihre Geschichte vorbelastet“, so Ringstorff.

Leider würden heute aber viele verdrängen, daß die CDU im Osten vor 1989 „ein hundertprozentiges Tochterunternehmen der SED“ gewesen sei. „Genossen“, sagte Ringstorff, „vertraut auf eure Kraft und geht euren Weg.“