Zwei Frauen und viele, viele andere führen die Grünen

■ Auf ihrem Leipziger Parteitag reformieren sich die Bündnisgrünen ein bißchen: Der Vorstand wird verkleinert, ein dreißigköpfiger Parteirat eingeführt. Regelung zur Trennung von Amt und Mandat nur gelockert. Neues Grundsatzprogramm geplant

Leipzig (taz) – Bündnis 90/Die Grünen haben mit der Reform ihrer Parteistrukturen begonnen. Auf dem Parteitag in Leipzig an diesem Wochenende entschieden sich die rund 600 Delegierten nach stundenlanger Debatte für die Verkleinerung der Vorstands und die Einführung eines 30köpfigen Parteirats. In ihm sind neben den 5 Vorstandsmitgliedern 25 Politiker und Politikerinnen der Bundes- und Landesebene vertreten. Für den Rat wurde die traditionelle Trennung von Amt und Mandat gelockert, 12 Posten dürfen mit Mitgliedern aus Parlamenten und Regierungen besetzt werden. Da der Parteirat zudem geschlechterquotiert ist und mindestens fünf Mitglieder aus Ostdeutschland haben muß, war das Wahlverfahren äußerst langwierig und die sonst üblichen Vorabsprachen kaum möglich. Und obwohl der Rat keine Entscheidungsbefugnisse hat, war der Andrang mit 60 Kandidaten groß wie selten zuvor bei einer Gremienwahl.

Für die beiden Positionen der Sprecherin des Bundesvorstandes gab es hingegen nur zwei Bewerberinnen. Die Realpolitikerin aus Sachsen, Gunda Röstel, wurde mit 83,3 Prozent in ihrem Amt bestätigt. Die der Linken zugerechnete bisherige Hamburger Vorstandssprecherin Antje Radcke wurde mit 74,3 Prozent zur Nachfolgerin von Jürgen Trittin gewählt, der als Bundesumweltminister nicht erneut kandidierte. Entgegen den Wünschen des Vorstands müssen Röstel und Radke weiter mit dem Titel der „Sprecherin“ leben, die Delegierten stimmten der Umbennenung in „Vorsitzende“ nicht zu. Die Berlinerin Angelika Albrecht wird den neu geschaffenen Posten einer frauenpolitischen Sprecherin des Vorstandes besetzen.

Nachfolger der politischen Geschäftsführerin Heide Rühle wird der bisherige baden-württembergische Landesvorstandssprecher Reinhard Bütikofer. Um dieses Amt hatten Parteilinke und Realos bis zuletzt gerungen. Erst im dritten Wahlgang setzte sich Bütikofer knapp gegen die Kandidatin der Linken, Barbara Graf, durch. Der Vorstand ist somit frauendominiert und strömungsquotiert.

Im Parteirat dagegen überwiegen die Vertreter des realpolitischen Lagers mit 14 zu 11. Gewählt wurden unter anderem Trittin, die Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer, die beiden Fraktionsvorsitzenden Rezzo Schlauch und Kerstin Müller, die Abgeordneten Angelika Beer, Antje Hermenau, Claudia Roth und Cem Özdemir sowie die nordrhein-westfälische Umweltministerin Bärbel Höhn und die Berliner Abgeordnete Renate Künast. Die hessische Umweltministerin Priska Hinz scheiterte ebenso wie der nordrhein- westfälische Bauminister Michael Vesper. Bundesaußenminister Joschka Fischer hatte nicht kandidiert.

Über die Trennung von Amt und Mandat hatte es am Freitag abend eine längere Debatte gegeben. So hatte der hessische Politiker Tom Königs für die vollständige Aufhebung plädiert, andere dagegen jede Aufweichung des Prinzips abgelehnt. Die nun gefundene Regelung entspricht dem Antrag des Vorstandes. Der Parteirat soll die Arbeit zwischen Bundes- und Landesebene besser verzahnen und für die Einbindung der Regierungspolitik in die Partei sorgen. Der Parteitag beschloß auch, daß bis zur nächsten Bundestagswahl ein neues Grundsatzprogramm der Grünen geschrieben werden soll. Dieter Rulff

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