Total unfähig ist immer der andere

■ Generaldebatte in der Bürgerschaft zum Auftakt der Haushaltsberatungen

„Mein Gott, Krista Sager, was ist eigentlich aus Ihnen geworden? Von grünem Kampfgeist und Visionen ist nichts mehr da.“ CDU-Oppositionschef Ole von Beust, der einst heftig um Sagers Gunst für eine schwarz-grüne Ehe gebuhlt hatte, gab gestern zum Auftakt der dreitägigen Bürgerschaftsberatungen über den 18,2 Milliarden Mark mächtigen Stadthaushalt 1999 nicht nur den enttäuschten Liebhaber. Auch die SPD bekam ihr Fett ab: „Die SPD liefert Weltmaßstäbe in Sachen Filz. Was die Genossen dieser Stadt zumuten, ist schamlos!“

Ähnlich subtil konterte SPD-Stadtchef Ortwin Runde: „Welchen Schlag Ihnen die Bundestagswahl versetzt hat, zeigt sich jetzt: Sie haben den Wettbewerb um Kompetenzzuweisung in zentralen Politikfeldern längst aufgegeben!“ Etwas deftiger formulierte das SPD-Fraktionschef Holger Christier: „Das Ausmaß Ihrer selektiven Wahrnehmung ist schon rezeptpflichtig!“

Während die CDU die „heiße Luft“ im Senat anprangerte und über „roten Filz mit grünen Sprengseln“ schimpfte, zitierte die SPD genüßlich aus Kommentaren bürgerlicher Blätter, welche allesamt „die CDU am Boden“ sehen. Einig waren sich die Kontrahenten denn auch, daß das jeweilige Gegenüber ideenlos, unfähig und bar jeder Problemlösungskompetenz sei. Konzepte, Visionen, Problembewußtsein, Sachaussagen? Fehlanzeige! Opposition und Regierung verzichteten konsequent auf den Nachweis eigener Kompetenz.

Satte 42 Minuten seiner dreiviertelstündigen Rede opferte von Beust der Regierungsbeschimpfung, um schließlich in drei Minuten drei klitzekleine Vorschläge zu präsentieren: Die CDU bietet die Hand zur Rettung einiger Bücherhallen, und Existenzgründer sollten von der Gewerbesteuer befreit werden. Und schließlich solle die Stadt den Rest der Landesbank verkaufen, Schulden tilgen und die eingesparten Zinsen in die Bildung investieren. Denn Schulsenatorin Rosi Raab habe „versagt“, das Schulwesen „ramponiert“ und müsse zurücktreten.

Kommt nicht Frage, stellten Christier und Runde klar. Raab „genießt weiterhin unser Vertrauen“. Und auch auf sonstigen Kleinkram ließ sich der Bürgermeister gar nicht ein. Staatsmännisch widmete Runde seiner CDU-Schelte nur knappe zehn Minuten, während er solide 40 Minuten Wirtschaftsstatistiken über den Aufschwung referierte, um messerscharf zu folgern: „Hamburg ist fit für das nächste Jahr und das nächste Jahrhundert.“

Und die Grünen? Fraktionschefin Antje Möller verzichtete immerhin auf die Rundumschlagpose ihrer männlichen Kollegen und fand sogar das eine oder andere mahnende Wort an die Bundesregierung, die nun endlich Geld an Länder und Kommunen umverteilen müsse. Ihre Hauptbotschaft aber blieb das hohe Lied rot-grüner Regierungskunst: „In Hamburg haben 13 Monate Rot-Grün diese Regierung souverän werden lassen.“

Ole von Beust, ehrlich ergriffen: „Was mich verwundert, ist, wie die GAL da mitspielt.“ Florian Marten