Vom Rand der Welt

■ Pulverisierte Bilder – Das Arsenal zeigt die Filmreihe „Experimentelle Filmgestaltung“

Experimentelle Filme sind Filme auf der Durchreise: Zu sehen sind sie auf Festivals, Videos und manchmal im Fernsehen. Daß sie überhaupt ins Kino kommen, ist nicht zuletzt dem Engagement von Heinz Emigholz zu verdanken, dessen Reihe „Experimentelle Filmgestaltung“ seit fünf Jahren im „Arsenal“ läuft. Dort kann man heute Filme sehen, die als Abschlußarbeiten in Emigholz' Klasse an der HdK entstanden sind. Wer wach genug ist und nicht dem dumpfen Vorurteil glaubt, Filme außerhalb der gewöhnlichen Formate könnten nichts erzählen, sollte diese Gelegenheit wahrnehmen.

Die meisten dieser Filme beziehen sich auf bestimmte Orte. Es geht los in Prag. In Heike Ollertz' „Der Staub der Stadt“ begleiten pulverisierte Bilder eine von D. Holland-Moritz vorgelesene Geschichte aus dem Leben der Schatten. Es ist die Stimme des Erzählers, die dafür sorgt, daß der Körper weiterleben kann. Den extratrockenen Humor kann man dann an der nächsten Station, in Isabell Spenglers „Psychic Tequila Tarot“ runterspülen. Der Film spielt in Kalifornien und ist eine Art Bildungsroman aus der Dienstleistungsgesellschaft – man kann auch Self-Sexplotation dazu sagen –, wo Körper dazu verdammt sind, nur noch in obszöner Form vorzukommen. „Bis Gras wächst“ von Katrin Rothe führt dann an den Rand der Welt: der Tod als letzte Reise. Und: Dieser Film kommt mit einem unglaublichen Sound, was das Verstummen zum akustischen Ereignis macht. „In Gottes Haus sind noch Zimmer frei“ von Said Sharifi wird eine Kathedrale in Managua so angeschaut und umgebaut, daß sich in diesem Raum verkörpern kann, was Menschen zu erzählen haben. Ein Film, der das – trotz diverser Lyrismen – schafft, wehrt sich dagegen, die Körper, mit denen er es zu tun hat, als Simulakren zu konsumieren. Genau das ist aber das Problem der Filme, die das Programm fortsetzen: Sowohl „Die Langdon Connection“ von Jörg Langkau, der nach „Amerika ? 2“ von Bodo Müller läuft, als auch „Words for Windows“ von Michael Busch sind in Berlin geblieben. Hier scheinen Bilder über Bilder alles andere zu beherrschen: TV-Offensive. Diese Filme stehen im Bann des Fernsehens. Das tun wir natürlich alle, aber Nachwuchsregisseuren sollte man dennoch dringend raten, vorerst auf das Abfilmen von Bildschirmen zu verzichten. Sebastian Weber

Heute, Arsenal, 18.30 Uhr, auch als Cassette (Video 451), 39,95 DM