Algeriens Premier nimmt den Hut

■ Ahamd Ujahia möchte nicht mehr Regierungschef sein. Doch im kommenden April könnte der den Präsidenten Zeroual beerben

Madrid (taz) – Algeriens Premierminister Ahmad Ujahia hat gestern bei Präsident Liamine Zeroual seinen Rücktritt eingereicht. Damit geht auch der letzte starke Mann der bisherigen politischen Führung Algeriens von Bord. Zeroual hatte bereits im September verkündet, seine Amtszeit nicht beenden zu wollen, und für den kommenden April vorgezogene Neuwahlen angesetzt. Sein engster Berater, der ehemalige Geheimdienstchef General Muhammad Betschin, nahm kurz darauf ebenfalls den Hut.

Ujahia, der seit 1995 die Regierung lenkte, wurde 1997 bei den ersten Parlamentswahlen fünf Jahre nach der Machtübernahme der Militärs und dem Verbot der Islamischen Heilsfront (FIS) im Amt bestätigt. Seine Partei, die zur Unterstützung von Zeroual gegründete National Demokratische Versammlung (RND), ging als stärkste Kraft aus der Abstimmung hervor. Trotz Protesten der Opposition, die dem Gespann Zeroual/Ujahia Wahlbetrug vorwarf, bildete die RND mit der ehemaligen Einheitspartei FLN und der islamistischen MSP-Hamas eine Koalition.

Ujahia liberalisierte im Auftrag des Internationalen Währungsfonds (IWF) die Staatswirtschaft. Die Subventionierung von Lebensmitteln wurde gestrichen, der Dinar zweimal abgewertet, unrentable Staatsbetriebe wurden geschlossen, der Rest für eine Privatisierung zurechtgeschrumpft. Opposition und Gewerkschaft rechnen Ujahia allein für die letzten beiden Jahre den Verlust von 380.000 Arbeitsplätzen vor. Betroffen ist fast die Hälfte aller in der staatlichen Wirtschaft Beschäftigten.

Presse und Opposition werfen Ujahia vor, Algerien an den Rand einer sozialen Explosion geführt zu haben. Als der Premier Ende letzter Woche die Arbeit seiner Regierung vor dem Parlament verteidigte, redete er fast vor leerem Haus. Bis auf die RND verließen alle Abgeordneten aus Protest den Saal – einschließlich der Vertreter der beiden Koalitionspartner FLN und MSP-Hamas.

Ujahia will sein Abdanken nicht als Schwäche verstanden wissen. „Die RND ist eine starke Partei mit einem festen Platz in der Gesellschaft“, rief er im Parlament der Opposition hinterher. Vieles deutet daraufhin, daß er den Beweis dafür selbst antreten will. Ujahia, so vermutet die algerische Presse, sei nur zurückgetreten, um im April für das Präsidentenamt kandidieren zu können. Als wahrscheinlichster Anwärter für Ujahias Nachfolger als Regierungschef gilt der ehemalige algerische Botschafter in Frankreich, Ismail Hamdani. Reiner Wandler