Friedensstifter Clinton abserviert

■ Israels Premier Netanjahu vermasselt dem US-Präsidenten seinen Besuch: Statt den Truppenabzug fortzusetzen, stellt er neue Forderungen an Arafat. Der verläßt wütend den Dreiergipfel. Clinton sucht Trost in Bethlehem

Jerusalem (taz) – Körpersprache ist verräterisch. US-Präsident Bill Clinton und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu gingen gestern sichtbar auf Distanz. Beim gemeinsamen Besuch der jüdischen Festung Massada, die vor knapp 2.000 Jahren von den Römern erobert und zerstört wurde, vermieden beide jeglichen Kontakt. Nur aus protokollarischen Gründen und wegen der Fernsehkameras wechselten sie einige Worte auf dem felsigen Berg. Doch die Eintracht, die die israelische und amerikanische Fahne auf Massada symbolisieren sollten, war längst gebrochen.

Zuvor hatte sich das Gipfeltreffen zwischen Netanjahu, Clinton und Palästinenserpräsident Jassir Arafat am Checkpoint Eretz zum Gaza-Streifen als Flop erwiesen. Anderthalb Stunden diskutierten die drei über die Umsetzung des Wye-Abkommens, ohne zu einer Vereinbarung zu kommen. Eine halbe Stunde vor den anderen verließ Arafat wütend die Konferenz. Erklärungen gegenüber der Presse gab er keine.

Clinton versuchte das Treffen dennoch schönzureden. Er haben den Friedensprozeß „wieder auf den Weg gebracht“, sagte er. US-Außenministerin Madeleine Albright werde in den nächsten Wochen wieder in die Region kommen, um dies zu überprüfen. Israel habe sich dem Wye-Abkommen erneut verpflichtet und werde versuchen, den Zeitplan wieder in Kraft zu setzen. Demnach müßten sich israelische Soldaten bereits am kommenden Freitag aus weiteren fünf Prozent des Westjordanlandes zurückziehen.

Doch die anschließende Pressekonferenz von Netanjahu und Israels Außenminister Ariel Scharon erhellte Differenzen und nicht Gemeinsamkeiten, die bei Clintons Besuch erreicht wurden. Netanjahu forderte erneut, daß die Palästinenser unmißverständlich Abstand nehmen von der Option, im nächsten Mai einen palästinensischen Staat auszurufen. Überdies müßten sie die gewalttätigen Demonstrationen für die Freilassung politischer Gefangener sofort beenden. Hinzu kämen die Beschlagnahme illegaler Waffen und die Reduzierung der palästinensischen Polizeikräfte. Sogar die Änderung der palästinensisch-jordanischen Schulbücher verlangte Netanjahu. Begründung: Weil darin Palästina noch in den Grenzen von 1948 gezeigt wird, werde Israel damit das Existenzrecht verweigert. Daß Israel selbst bis heute seine Grenzen offiziell nicht festgelegt hat und israelische Landkarten das einstige britische Mandatsgebiet Palästina vom Jordan bis zum Mittelmeer als komplett israelisch ausgeben, war ihm keine Bemerkung wert.

Nach der neuerlichen Annullierung der palästinensischen Charta am Vortag hatten die Palästinenser mit einer israelischen Geste gerechnet – zum Beipiel der Freilassung politischer Gefangener. Doch Netanjahu machte deutlich, daß er diesem Ansinnen nicht nachkommen wird. Schließlich will der Regierungschef das am Montag bevorstehende Mißtrauensvotum im israelischen Parlament überstehen.

Vor der Visite auf Massada besuchte die Clinton-Familie gemeinsam mit Jassir Arafat und dessen Frau Suha Bethlehem. „Wir sind nicht mehr allein“, erklärte dort die First Lady Palästinas. Doch ihr Mann schien an diesem Tag ein deutlich anderes Gefühl zu haben. Georg Baltissen