Paare, Passagen und Passanten

■ Die rätselhaften kanadischen Drone-Rocker Godspeed You Black Emperor! liefern die Struktur für Erzählungen

Nun dürfen auch bei einer Gitarrenband die Filmmetaphern mal wieder herausgeholt werden. Wie der Belfaster DJ David Holmes sind auch die Musiker von Godspeed You Black Emperor! Freunde der dokumentarischen Tonbandaufnahme. „Wird die Welt zugrunde gehen?" fragen sie einen Mann zu Beginn ihres Stückes „Providence". Der Mann wiederholt aufgeregt die apokalyptischen Visionen eines Predigers, nicht ohne zwischendurch höflich, aber bestimmt einen Bettler abzuweisen. Der Cassettenrecorder rattert noch etwas, bevor Godspeed You Black Emperor! ein über zwanzigminütiges, weitgehend instrumentales Epos entwickeln, bestehend aus abgeschlossenen Themen voller dramatischer Steigerungen. „Providence" ist eines von drei solcher Epen, die auf €£a£€€ zu hören sind, dem mit Symbolzeichen betitelten Debütalbum der Band aus dem kanadischen Montreal.

Dort war bei dem Kleinstlabel Constellation Records die Vinyl-Erstauflage erschienen, kunstvoll verpackt und mit beigelegtem plattgewalztem Penny-Stück. „Das Haus, in dem wir proben und drei von uns auch wohnen, liegt direkt an einer Bahntrasse. Nach dem Proben haben wir unsere Penny-Sammlungen auf die Schienen gelegt“, erzählten Godspeed You Black Emperor! dem örtlichen Fanzine aMAZEine. Solche Interviews sind bis heute selten, obwohl die CD-Version von €£a£€, erschienen bei den Chicagoer Drone-Rock-Spezialisten Kranky, in der Indie-Welt für einiges Aufsehen sorgte. Doch die zur Zeit etwa neun Bandmitglieder legen keinen besonderen Wert darauf, zu enthüllen, wer hinter den drei Gitarren, zwei Bässen, zwei Schlagzeugen, dem Cell, dem gelegentlichen Glockenspiel und den Tonbandschleifen steckt. So werden die Konzerte von einem Filmkünstler begleitet – nicht die einzige Parallele zu der Chicagoer Band Rachel's.

Im selben Gespräch mit aMAZEine äußern Godspeed You Black Emperor! auch Konzerten gegenüber Befremden: „Eigentlich hatten wir diese Band gegründet, um nicht mehr jeden Abend das Gleiche spielen zu müssen, wie es gewöhnliche Rock-Bands tun. Aber auf Tourneen passiert uns das jetzt wieder, obwohl die Musik aus Improvisationen entstanden ist." Es bleibt zu hoffen, daß sie auch zum Abschluß ihrer Europatournee beweisen, daß nur Struktur nicht ausreicht, sie muß auch etwas erzählen. Dann mag man einem Stück auch 20 Minuten lang gebannt zuhören.

Felix Bayer So, 20. Dezember, 20 Uhr, Schlachthof