■ Hamburgs SchülerInnen auf der Straße: Die 168 Stunden der längsten Demo der Welt. Teil 2
: Die sich nicht raushält

„Hat die geile Haare“, staunte ein Siebtkläßler, als er Julia Liedtke bei einer Demo zum ersten Mal sah. „Psst“, zischte sein Freund, denn die Vorsitzende der Hamburger SchülerInnenkammer setzte gerade an zu ihrer Rede, einem Plädoyer für besser ausgestattete Schulen, jüngere LehrerInnen und, ganz entscheidend, engagierte SchülerInnen. „Es ist mir wahnsinnig wichtig, daß ich Schule entsprechend meinen Vorstellungen erleben kann“, erklärt die 18jährige, wenn jemand fragt, wo sie die Ausdauer hernimmt für ihr Amt – für die Nachmittage, an denen sie nach dem Unterricht in die SchülerInnenkammer geht. Für die Freistunden, in denen sie mit GrundschülerInnen kocht, und für die Zeit, die sie am Telefon verbringt, um Aktionen zu organisieren. Seit einem Jahr geht das schon so, und wenn die Gesamtschülerin Anfang 2000 Abitur macht, wird sie den Streß vermissen.

Sich rauszuhalten ist Liedtkes Sache nicht. Mit vierzehn wurde sie Sprecherin der Erich-Kästner-Gesamtschule in Farmsen, einem Stadtteil, in dem „wir schon öfter in der Klasse sammeln mußten, damit einige Schüler sich Bücher leisten konnten“. Solche Zustände machen wütend, und sie wecken den Wunsch, etwas zu verändern. „Schließlich haben Schulen auch einen sozialen Auftrag.“

Bei einem Seminar lernte Liedtke VertreterInnen der SchülerInnenkammer kennen. Im Wendland war das, erzählt die Zwölftkläßlerin, und daß sie seitdem häufig dorthin fährt, „in ein Haus mit netten Leuten und unheimlich gesundem Essen“, unkonventionell und alternativ.

Ungewöhnlich sein, auffallen – Julia Liedtke legt es nicht drauf an. Ihre Haare trägt sie rot gefärbt und in Rasta-Locken, weil ihr die Frisur eben gefällt. Sie ist es zwar, die bei Demonstrationen vor Tausenden von ZuhörerInnen Reden hält. Doch allein im Vordergrund steht sie deshalb nicht. Aktionen wie die Sieben-Tage-Demo „wurden vom Arbeitskreis Bildungsabbau organisiert“, betont Liedtke. Sie ist schlicht eine von mehreren Verantwortlichen – wenn auch die, die am Abend vor Marschbeginn die neun Kilometer Route allein nochmal abläuft (“in nur anderthalb Stunden!“). Um sicherzugehen, daß auch alles klappt. Judith Weber