Wortlos zur Tagesordnung schreiten

■ Die Aussicht, einen millionenschweren Schatz zu heben, beflügelt auch die Heldin in „Sakikos geheimer Schatz“ von Shinobu Yaguchi

Sakiko war ein einsames Kind. Anstatt zu spielen, zeigte sie den anderen Kindern lieber ihr Sparbuch. „Ihre Hobbys?“ wird sie gefragt beim Einstellungsgespräch. „Geld zählen“, ist ihre Antwort. So schnell wird man Bankangestellte. Dummerweise merkt sie erst jetzt, daß es ihr nur Spaß macht, ihr eigenes Geld zu zählen. Aber: Geld zu lieben allein reicht noch nicht, um welches in seinen Besitz zu bringen. Also erträumt sich Sakiko den Banküberfall, der dann prompt passiert. Sie wird als Geisel genommen und landet zusammen mit 500 Millionen Yen im Kofferraum. Die Geisel wird gerettet, die Millionen verschwinden in einer unwegsamen Schlucht, und Sakiko hat fortan eine Aufgabe: ihren Schatz zu heben.

Von nun an wird aus der eigentlich völlig antriebslosen Sakiko ein Energiebündel mit unzähligen Talenten. Um den Schatz zu finden, studiert sie Geologie, lernt schwimmen, klettern und tauchen. Und um das zu finanzieren, arbeitet sie in einem Strip-Schuppen, stellt Weltrekorde auf und gewinnt Meisterschaften. Doch als wollte sie die alte Roadmovie-Weisheit umdrehen: Hier ist nicht der Weg das Ziel, sondern das Geld ist das Geld ist das Geld, und nur Geld macht Sakiko glücklich. Die aberwitzigen Erfolge nimmt sie ebensowenig wahr wie die vorsichtigen Annäherungsversuche ihres Dozenten oder die haßerfüllten Attacken von dessen Exfreundin. Stoisch wie sie ist, erinnert sie an die Blues Brothers: Nach jeder Katastrophe steht sie wieder auf, klopft sich den Staub ab, als wäre nichts gewesen, und schreitet wortlos zur Tagesordnung. Wenn ihr Apartment unter der Last der geologischen Meßinstrumente in sich zusammenbricht, ist das nicht umsonst als Zitat aus der Anarchoklamotte von John Landis gefilmt.

Natürlich ist „Sakikos geheimer Schatz“ eine reichlich offensichtliche Parabel auf die japanische Gesellschaft, in der sich die Menschen noch ausdrücklicher als hierzulande über Arbeit und Besitz definieren. Der sozialkritische Hintergrund aber ist für Regisseur und Drehbuchautor Shinobu Yaguchi kaum mehr als der Anlaß für seinen überdrehten Film, der kaum eine Komödientechnik ausläßt, vom Slapstick bis zu wunderlich dilettantischen Special Effects. Mit der gnadenlosen Überzeichnung der Charaktere und Zuspitzung der Ereignisse ins Irreale bis hin zu einem allumfassenden Happy-End stellt sich Yaguchi in die Tradition seines Landsmanns Sogo Ishii und dessen Klassiker „Die Familie mit umgekehrtem Düsenantrieb“.

All das würde allerdings kaum funktionieren ohne das wundervolle Knautschgesicht von Sakiko- Darstellerin Naomi Nishida, die ihr Geld sonst als Fotomodell verdient. Die sieht in 25 Jahren wahrscheinlich aus wie Walter Matthau, aber heute spielt sie die japanische Version von Dagobert Duck mit solch großen Augen, daß einem selbst die Gier sympathisch wird. Thomas Winkler

„Sakikos geheimer Schatz“. Buch und Regie: Shinobu Yaguchi, Mit: Naomi Nishida, Go Riju, Taketoshi Naito.

Japan 1996, 83 Minuten. Hackesche Höfe 3, 21.45 Uhr und 23.45 Uhr; Filmkunst 66, 20 Uhr