Wahlkampf mit Backpulver und Peitsche

Der Ministerpräsidenten-Kandidat der hessischen CDU ist im Wahlkampf unermüdlich als neuer Hoffnungsträger unterwegs. Roland Koch hofft auf Gegenwind für die rot-grüne Koalition in Bonn und umwirbt Eltern und Lehrer  ■ Von Heide Platen

Frankfurt/Main (taz) – Der Kandidat flitzt um die Ecke. Die schwarzrote Krawatte weht, der Mantel fliegt an den Haken, daß die Garderobe scheppert. Im kühlen Ambiente des Konferenzraumes 21 im Kongreßzentrum des Frankfurter Flughafens steuert Robert Koch auf Kuschelkurs. Er rückt seinen Stuhl zwischen die Journalisten: „Ist doch gemütlicher.“

Koch kommt gerade aus der Manageretage der Flughafen Aktien Gesellschaft (FAG). Während der anschließenden Pressekonferenz streut er Salz in die Wunden der in Hessen regierenden rot-grünen Koalition, die seit Monaten über das Reizthema Flughafenausbau streitet. Sollte seine Partei, die CDU, die Landtagswahlen am 7. Februar 1999 gewinnen, wird der Rhein-Main-Flughafen zügig ausgebaut, verspricht Koch. Wo aber die neue Landebahn entstehen soll, verrät auch er nicht. Eigentlich ist der Flughafen nicht das Lieblingswahlkampfthema des neuen Spitzenmannes der Union. Deren hat er nur zwei: Innere Sicherheit und Bildungspolitik.

Roland Koch ist kein Populist. Der 40jährige, der seine Heimat nie verlassen hat, geboren und wohnhaft in Eschborn, Gymnasium in Sulzbach, Studium in Frankfurt, spricht ein scharfes Hochdeutsch. Das macht ihn fast verlegen. Er beeilt sich, seinen Wahlkampfhelfern versichern zu lassen, daß er „privat“ durchaus hessisch „babbele“ könne.

Überhaupt steckt Koch voller Widersprüche, wirkt wie zusammengesetzt aus seinem preußisch anmutenden Mentor Manfred Kanther und den modernistischen Attributen der Toscana-Fraktion. Von Kanther könnte er den wie mit dem Messer gezogenen Scheitel im frühergrauten Blondhaar haben, die Disziplin, den Willen zur Macht und die aggressiven Passagen seiner Rhetorik.

Über der Stirn ist da aber eine kleine, weiche Welle mit einem Stietz vorn wie bei Tim von „Tim und Struppi“. Das Gesicht ist weicher als die kantigen Männerphysiognomien seiner gescheiterten Vorgänger Kanther und Dregger, rundlicher, eher Ministrant als künftiger Ministerpräsident. Die Nase biegt sich an der Spitze leicht nach oben, die Lippen sind rosig und signalisieren den Genußmenschen. Koch kokettiert gern damit, daß er gerne kocht. Seine Parteibasis schenkt ihm Kochbücher und italienischen Rotwein. „Ich möchte“, sagt er am Abend, „daß Hessen ein Land des Südens wird.“ Und meint damit, es solle so wirtschaftsfreundlich werden wie das Nachbarland Bayern.

Im Kleinen Brauhaus in Rüsselsheim, Anrainergemeinde des Flughafens, heißt die Veranstaltung nicht Wahlkampf, sondern „Talk und Musik“, mitsamt Internet-Adresse. Ein Helfer nennt solche Abende, auch hier bayerisch inspiriert, eine Mischung aus „Laptop und Lederhosen“. Die Basis trinkt hausgebrautes Bier und jubelt dem Kandidaten zu. Er ist ihr neuer Hoffnungsträger.

Die Blöser Brothers intonieren „A Sentimental Journey“. Und Koch sagt, wo die Reise hingehen soll: direkt zum Flughafenausbau. Wenn er gewählt wird, werden möglicherweise bald Jumbojets über die Köpfe seiner Rüsselheimer Parteifreunde hinwegdröhnen. Die FAG und ihre 55.000 Arbeitsplätze seien eben keine Peanuts in einer Region, in der Auto- und Chemie-Industrie schrumpfen und die Banken auch keine neuen Arbeitsplätze schaffen. Weltflughafen, „gigantischer Produzent von Arbeit“, aber auch Wachstumsbranche, die abwandern könnte, Kröte, verpackt in Zuckerbrot, und hinterher die Standort- Peitsche.

Koch nennt sich selbst einen bekennenden „Kohlianer“. Er würzt sein Wahlkampfrezept mit jenen Sätzen, die ihm dennoch den Ruf eingebracht haben, in der CDU ein Modernisierer und „junger Wilder“ zu sein: „Die Welt ist nicht monokausal.“ „Auch wir haben Fehler gemacht.“ Damit kommt er auch in Frankfurt an.

Im Nordwest-Zentrum haben sich vor allem CDU-nahe Pädagogen gesetzteren Alters versammelt. Sie verzeihen dem jungen Mann sogar Verbalinjurien, als er das Klima in hessischen Schulen „beschissen“ nennt. Mit der Bildungspolitik hat die CDU in Hessen schon einmal eine Wahl gewonnen, mit nur 11.389 Stimmen Vorsprung siegte Walter Wallmann 1987. Der Abstand bei der letzten Landtagswahl 1995 war umgekehrt knapp. Die rot-grüne Koalition lag mit einem Vorsprung von 1,2 Prozent hauchdünn vorn.

44.000 Menschen im Schuldienst, und auch Eltern und Jugendliche gehen wählen, Chefsache also. Da macht Koch sogar Zugeständnisse beim zweiten Standbein Sicherheitspolitik. Für die soll es erst dann mehr Geld geben, wenn 4.000 Lehrerstellen neu- und umbesetzt sind.

Besonders scharfe Angriffe richtet Koch gerne gegen den grünen Landesjustizminister Rupert von Plottnitz. Koch erinnert sich an dessen Amtsübernahme: „Ich dachte, er werde vom Ansatz wie vom Ton her die bürgerlichen Kreise ansprechen.“ Statt dessen aber sei Plottnitz „in die äußerte linke Ecke marschiert“. Nein, eine Feindschaft unter Juristen sei das nicht. Auch wenn Kochs Vater vier Jahre lang Justizminister im Kabinett von Walter Wallmann war, eine Zeit, in der der Abgeordnete Roland Koch immer nur „kleiner Koch“ genannt wurde.

Koch studierte ebenfalls Jura und machte sein Staatsexamen in der kürzest möglichen Zeit. Seine Parteikarriere begann er als Vierzehnjähriger mit Gründung einer Ortsgruppe der Jungen Union in Eschborn. Ein Kommilitone sagte schon damals über ihn, er studiere „nur auf Bundeskanzler“.

Roland Koch versichert seit seiner Wahl ins Bonner Parteipräsidium der CDU immer wieder, daß Hessen für ihn Vorrang hat. Er hofft, daß Rot-Grün nach dem Sieg in Bonn in den Ländern Stimmen verliert, sozusagen in ausgleichender Gerechtigkeit. Den Vorwurf, daß er ebenso farblos scheine wie sein amtierender Gegner Eichel, kontert er mit der Bemerkung, er wolle nicht „wegen seiner Schönheit“ gewählt werden, aber: „Regierungen werden wegen ihrer Häßlichkeit abgewählt.“

Bis dahin tingelt Kämpfer Koch unermüdlich durch die Medien und über Land und greift an. Wenn es sein muß, auch mit Backpulver. 100.000 Hefte mit Koch'schen Plätzchenrezepten und je einem Tütchen des Treibmittels werden im Advent in Wiesbaden verteilt.