■ Hamburgs SchülerInnen auf der Straße: Die 168 Stunden der längsten Demo der Welt. Teil 3
: Protest-Wohnzimmer

Der Weihnachtsmann hängt. Mit dem Kopf nach unten baumelt er von der Decke des Bauwagens. Die Augen der Schokofigur blicken zur Tür, an der ein Schild mit der Aufschrift „Offen“ hängt. „Kommt rein“, ruft Umes Arunagirinathan von der SchülerInnenkammer einladend, als ein paar Jungs, die sich für die nächste Demo-Runde angemeldet haben, zaghaft klopfen. „Wollt ihr was trinken?“

Nach vier Tagen und Nächten des Protests ist der rund acht Quadratmeter große Innenraum des Wagens nicht nur Planungszentrale, sondern zugleich Wohnzimmer, Küche und Schlafraum. Die Kargheit der ersten 48 Stunden ist einer Gemütlichkeit gewichen, wie sie in den Gemeinschaftszimmern einiger WGs zu finden ist. An den Wänden stehen Kisten mit leeren oder vollen Colaflaschen, darüber hängen Zeichnungen, die wie Stundenpläne aussehen und regeln, wann welche SchülerInnen demonstrieren wollen.

Auf dem Tisch steht neben einem Strauß Blumen eine Packung Instant-Brühe. „Ihr könnt auch gerne in die Bonbondose greifen“, bietet Kammer-Vorsitzende Julia Liedtke den Neuankömmlingen an. Gelutscht oder getrunken wird allerdings draußen: Am Tisch des Bauwagens haben nur vier Personen Platz – meist die Mitglieder des Orga-Teams, dazu einzelne BesucherInnen. Gestern mittag saß auch Günther Frank dabei, der schulpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion.

Abends wird der Bauwagen zum Schlafzimmer. An der Wand stehen zwei Klappliegen, „und wir haben alle unsere Schlafsäcke dabei“, erklärt Liedtke. So müssen die PlanerInnen nicht zwangsläufig die Nacht durchmachen. Kalt ist es nicht, seit Heizung und Licht wieder funktionieren. Beides war am ersten Tag kurzzeitig ausgefallen, weil ein Auto über das Kabel gefahren war. Nun aber fließt der Strom aus der benachbarten Tankstelle wieder.

Eine Wohnung kann der Wagen dennoch nicht ersetzen. Nach einem vollen Tag in und vor der Planungszentrale, „ist es nett, sich mal kurz gegenüber bei McDonald's aufzuwärmen“, sagt Kammer-Geschäftsführer Steven Galling.

Judith Weber