„Wer stellt mich denn ein?“

Krank und ohne Job: Sozialamt streicht dennoch Hilfe zum Lebensunterhalt  ■ Von Judith Weber

Eine Woche brennt das Licht noch, schätzt Jörg Krach. Dann wird es dunkel in seiner Altonaer Wohnung, weil er die Stromrechnung noch immer nicht bezahlt hat. Das Telefon ist schon länger abgeklemmt. Außerdem wird Krach wohl ohne die 140 Mark Weihnachtszuschuß auskommen müssen, die ihm das Sozialamt bisher auszahlte. Kleidergeld erhält er auch nicht mehr. Die Behörde bezahlt ihm darüber hinaus keine einzige Zahnarzt-Rechnung mehr. Denn Krach muß sich einen Job suchen, findet das Sozialamt Altona. Es strich dem schwer Rückenkranken Anfang August die sogenannte Hilfe zum Lebensunterhalt, die er zusätzlich zu seiner Arbeitslosenhilfe bezog. Damit fielen auch alle einmaligen Unterstützungen weg.

Heute wird der gelernte Einzelhandelskaufmann und Fotoassistent versuchen, dem Widerspruchsausschuß des Bezirks sein Dilemma zu erklären. Denn seit einem Autounfall hat er einen Wirbelschaden, der schubweise Schmerzen auslöst wie bei einem Hexenschuß. Manchmal kann Krach nicht länger als eine Stunde sitzen oder stehen. „Da kann ich doch nicht acht Stunden am Schreibtisch verbringen“, sagt er. Fehlzeiten sind also programmiert. „Welches Unternehmen stellt mich denn ein, wenn ich das bei der Bewerbung angebe?“

Die Zeitarbeitsfirmen, deren Adressen Krach vom Sozialamt bekam, jedenfalls nicht. Dort erntete er nur Absagen – wegen der Krankheit, weil er telefonisch nicht erreichbar ist und folglich nicht spontan einspringen kann oder weil Vollstreckungsbescheide gegen ihn laufen. Mehrere tausend Mark Schulden haben sich in den vergangenen Jahren angehäuft.

Trotzdem wird Krach weiter nach Arbeit suchen. Denn laut Gesetz muß sich jeder, der Hilfe zum Lebensunterhalt beantragt, „gezielt und nachhaltig“ um einen Job bemühen – oder seine Arbeitsunfähgkeit nachweisen.

62 Mark monatlich bekam Krach bisher vom Sozialamt. Weil nun auch noch 86 Mark Mietzuschuß wegfallen, seit die neuen Obergrenzen gelten, hat er rund 150 Mark weniger im Monat. Es bleiben 813 Mark Arbeitslosenhilfe.

Das Sozialamt prüft derzeit, ob nicht zumindest die einmaligen Hilfen wie Kleidergeld wieder gezahlt werden können. Sie fallen schließlich nur für Menschen weg, bei denen die Behörde davon ausgeht, daß die Betroffenen das Geld selbst aufbringen können.