■ Urteil der Lordrichter zur Immunität Pinochets aufgehoben
: Dumm gelaufen

Es ist schon arg dämlich, was sich der britische Lordrichter Leonard Hoffmann da geleistet hat. Schön, man kann polemisieren: Soll sich ein Richter vielleicht nicht für die Menschenrechte einsetzen? Ist er vielleicht nicht mehr glaubwürdig, wenn er das sogar in seiner Freizeit tut? Bloß hilft das nicht weiter, denn darum ging es nicht. Amnesty trat bei den Anhörungen mit einer klaren Position gegen Chiles Ex- Diktator Pinochet als Zeugin der Staatsanwaltschaft auf, war also als Organisation am Prozeß beteiligt. Es wäre Sache Lord Hoffmanns gewesen, seine persönliche Bindung zu der Organisation offenzulegen – dann hätte vorher entschieden werden können, ob er als befangen zu gelten habe. Das hat er nicht gemacht – damit ist die Entscheidung des Berufungsausschusses, das Urteil der Lordrichter zu kassieren, völlig legitim.

Amnesty international trifft da kein Vorwurf – schließlich ist keine Prozeßpartei dazu verpflichtet, von sich aus einen Richter abzulehnen, der ihr wohlwollend gegenübersteht. Lord Hoffmann wird durch seine Amnesty-Mitarbeit zwar nicht unsympathischer, nur an seinem Einschätzungsvermögen muß gezweifelt werden. Wie konnte ihm, einem der angesehensten Juristen Großbritanniens, ein solcher Fauxpas passieren? Zu vermuten ist, daß er sich einfach nicht vorstellen konnte, daß erstmals ein Urteil der Obersten Richter aufgehoben würde. Daß so ein Vertrauen in die eigene Unantastbarkeit angekratzt wird, ist schon wieder gut.

So schreibt der Fall Pinochet in einem fort Rechtsgeschichte. Und selbst dieser Spruch, inhaltlich konträr zu den vorangegangenen, stärkt das Ansehen einer Justiz, die ihre Unabhängigkeit verteidigt. Sicher, eine bittere Pille ist es schon, den Massenmörder Augusto Pinochet in London alle Register jenes Rechtsstaates ziehen zu sehen, den er den Chilenen bis heute verweigert – aber die muß man schlucken.

Noch sitzt Pinochet unter Hausarrest in London, und ob eine neue Lordrichter-Kammer anders entscheidet als die erste, wird sich erst noch herausstellen. Pinochet kann vorerst neue Hoffnung schöpfen, bei einem entsprechenden Spruch noch im Januar freizukommen. Das ist das eigentlich Furchtbare – und ausgerechnet der Menschenrechtsaktivist Lord Hoffmann ist daran nicht unschuldig. Jetzt kommt es darauf an, daß sich die Angehörigen der Opfer und Verschwundenen, die Menschenrechtsorganisationen und alle, die international auf eine Wende im Umgang mit (Ex-)Diktatoren gehofft hatten, nicht entmutigen lassen. Bernd Pickert