Daniela Dahn bleibt ungewählt

■ Potsdamer Landtag läßt die umstrittene Autorin bei der Richterwahl durchfallen. Zweiter PDS-Kandidat auch gescheitert

Berlin (taz/dpa) – Die umstrittene Schriftstellerin Daniela Dahn ist bei der Wahl zur Verfassungsrichterin von Brandenburg durchgefallen. Im Potsdamer Landtag erreichte die 49jährige Kandidatin der PDS nicht die nötige Zweidrittelmehrheit. 37 Abgeordnete stimmten für Dahn, notwendig wären 59 Stimmen gewesen. Die Wahl war geheim. Offensichtlich war die sozialdemokratische Regierungsfraktion nach wie vor gespalten, denn die PDS verfügt nur über 18 Stimmen. Die CDU hatte sich ablehnend geäußert.

Um die Kandidatur Dahns hatte es in den vergangen Wochen einen heftigen Streit gegeben, nachdem die Mehrheit der SPD überraschend umgeschwenkt war und sich gegen sie ausgesprochen hatte. Eine erste Wahl war im November geplatzt. Dabei kümmerte es die SPD-Abgeordneten nicht, daß sich die Führungsfiguren der Brandenburger SPD für Dahn aussprachen. Vor der gestrigen Wahl gab Ministerpräsident Manfred Stolpe, der die Schriftstellerin im November noch in höchsten Tönen gelobt und seine Fraktion gescholten hatte, kein klares Votum ab. In der Auseinandersetzung meldeten sich in den vergangenen Wochen Schriftsteller und Politiker aus ganz Deutschland zu Wort und setzten sich für oder gegen Dahn ein. Weil der Blick sich nur auf die Schriftstellerin richtete, kam es jetzt überraschend, daß der zweite PDS- Kandidat, der Staatsrechtler Martin Kutscha, ebenfalls scheiterte.

Der Vorsitzende der PDS- Landtagsfraktion, Lothar Bisky, zeigte sich über den Ausgang der Richterwahl zum Verfassungsgericht entsetzt. „Ich bin etwas sprachlos“, sagte er gestern. „In Brandenburg ist das Verhältnis zwischen PDS und SPD auf einem absoluten Tiefpunkt gelandet.“ Bisky wollte sich nicht dazu äußern, ob seine Partei jetzt vor das Landesverfassungsgericht ziehen werde. „Wir müssen politisch reagieren.“ Bei der Ablehnung der beiden PDS-Kandidaten Daniela Dahn und Martin Kutscha handele es sich um einen schwerwiegenden Fall. In Brandenburg finden im September nächsten Jahres Landtagswahlen statt.

Der Chef der SPD-Fraktion, Wolfgang Birthler, sagte nach der Abstimmung, das Scheitern der Kandidatin sei zu erwarten gewesen. Dagegen nannte er die Nichtwahl von Martin Kutscha enttäuschend.

Die Kritik an Dahn war vor allem einem Text Dahns zu den berüchtigten Prozessen von Waldheim festgemacht worden. In dem sächsischen Ort waren 1950 etwa 3.200 Menschen in politischen Schnellverfahren verurteilt worden, 32 davon zum Tode. Die Schriftstellerin hatte versucht, die Prozesse vor dem Hintergrund anderer Nachkriegsurteile in Europa zu sehen, und angeführt, die meisten Verurteilten seien Nazijuristen gewesen. Gestern sagte sie, es irritiere sie, „mit welcher Ängstlichkeit“ sie zurückgewiesen worden sei. „Verwöhnt durch unbegrenzte Narrenfreiheit auf den weitgehend wirkungslosen intellektuellen Spielwiesen hatte ich nicht für möglich gehalten, wieviel angepaßte Meinung in den Institutionen dieses Landes erwartet wird“, heißt es in einer Mitteilung Dahns. „Daß nicht nur mir dies wieder einmal deutlich demonstriert wurde, halte ich für keinen Gewinn.“ „Wer will, daß die Demokratie bleibt, der kann nicht wollen, daß sie bleibt, wie sie ist. Wer sie bewahren will, der muß sie kritisieren. Wer sie verbessern will, sollte sich darüber hinaus zu gestaltender Mitwirkung bereitfinden.“ löw