Saddams verfeindete Feinde

■ Die Gegner von Iraks Diktator eint vor allem ihre Zerstrittenheit. Trotzdem setzt Bill Clinton auf einen Machtwechsel durch sie

Bill Clintons Worte waren deutlich wie selten zuvor. „Irak hat seine letzte Chance mißbraucht“, erklärte der US-Präsident nach Beginn des Luftangriffs an Euphrat und Tigris. „Selbst wenn sie im Irak bleiben könnten“, hätten die UN-Waffeninspekteure zu verstehen gegeben, „wäre ihre Arbeit Heuchelei.“ Damit verabschiedet sich der US-Präsident von der Unscom, jener UN-Sonderkomission, die die Zerstörung der irakischen Massenvernichtungsmittel kontrollieren soll. Was auch immer das Ergebnis der Angriffe auf Irak ist, danach wird es keine neuen Inspektionen mehr geben.

Und ein weiterer Passus in Clintons Rede spricht für einen grundsätzlichen Wechsel seiner Haltung gegenüber Irak. Er habe „keinen Streit“ mit der irakischen Bevölkerung. Die beste Lösung sei „eine neue irakische Regierung“. Und weiter: „Einen Wechsel in Bagdad herbeizuführen wird Zeit und Mühen kosten. Wir werden unser Engagement für das ganzen Spektrum der irakischen Oppositionskräfte verstärken und mit ihnen effektiv und umsichtig zusammenarbeiten.“ Damit erklärt Clinton den Sturz Saddam Husseins zum Kriegsziel.

Zwar hatten US-Politiker seit dem irakischen Einmarsch in Kuwait im August 1990 mit diesem Gedanken geliebäugelt, doch die Regierung hatte entsprechende Aktionen des Geheimdienstes CIA immer wieder gedeckelt oder nur so halbherzig unterstützt, daß ihr Scheitern absehbar war. Damit schien sich zu bewahrheiten, was irakische Oppositionelle der US- Regierung seit jeher vorwerfen: Sie sei mit Saddam Hussein verbündet, weil nur der Diktator Stabilität im Ölland Irak garantiere.

Doch diese Vermutung ist spätestens seit dem 31. Oktober dieses Jahres widerlegt. Damals unterschrieb Clinton den „Iraq Liberation Act of 1998“, ein Gesetz, „um ein Programm zur Unterstützung eines Wechsels zur Demokratie im Irak einzurichten“, wie es im Untertitel hieß. 97 Millionen US-Dollar hat die US-Regierung bis Ende des Jahres zum Zweck des Umsturzes in Bagdad zu vergeben.

Clinton habe das Gesetz nur widerwillig unterschrieben, hieß es damals in Washington. Schließlich stamme der Entwurf von seinen konservativen Gegnern in Senat und Kongreß. Tatsächlich hatte die US-Regierung in den Wochen zuvor eine Politik verfolgt, die darauf schließen ließ, daß man sich mit Saddam Husseins Überlebenskünsten abgefunden hatte. Im August berichteten US-amerikanische und britische Zeitungen, US-Außenministerin Madeleine Albright habe persönlich bei Unscom-Chef Richard Butler interveniert, um unangemeldete Inspektionen verdächtiger irakischer Einrichtungen zu verhindern. Die US-Regierung wolle Saddam Hussein nicht weiter provozieren, hieß es damals. Gegner Clintons scholten ihn damals des Appeasements.

Doch Clintons Politik war zumindest zweigleisig. Am 17. September unterzeichneten in Washington die Führer der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), Dschalal Talabani, und der Demokratischen Partei Kurdistans (KDP), Massud Barsani, ein Abkommen. Die rivalisierenden irakischen Kurden verpflichteten sich, künftig nicht mehr aufeinander zu schießen, sondern im von ihnen kontrollierten Nordirak an einer demokratischen Alternative zu Saddam Hussein zu arbeiten.

Die auf Druck der USA zustande gekommene Einigung tat Not. Hatte doch der Zwist zwischen den beiden kurdischen Großkopferten im Herbst 1996 einen Putschversuch gegen Saddam Hussein vereitelt und mehrere hundert irakische Verbündete des US-Geheimdienstes CIA das Leben gekostet. Damals hatten irakische Truppen gemeinsam mit Kämpfern der KDP die zuvor von der PUK eroberte Hauptstadt Irakisch-Kurdistans, Arbil, erobert. Der irakische Geheimdienst nutzte die Gunst der Stunde und machte systematisch Jagd auf Gegner Saddam Husseins. Über 100 Mitglieder des Irakischen Nationalkongresses, eines mit Hilfe der CIA gegründeten Dachverbandes der irakischen Opposition, wurden standrechtlich erschossen. Im Nordirak stationierte CIA-Agenten konnten in letzter Minute evakuiert werden, ebenso mehrere tausend Kurden. Weil sie wegen ihrer Kooperation mit den US- Amerikanern in Bagdad auf der Abschußliste standen, wurden sie mit ihren Familien in die USA ausgeflogen.

Stärkstes Argument gegen eine Unterstützung der irakischen Opposition ist deren Zersplitterung. Insgesamt haben über 70 Gruppierungen den Sturz des Regimes in Bagdad auf ihre Fahnen geschrieben. Etliche sind bedeutungslose Splittergruppen, andere stehen aus ideologischen Gründen auf Distanz zu den USA. Neben den Kurden regt sich unter den schiitischen Arabern im Süden Iraks der meiste Widerstand gegen Saddam Hussein. Schiiten bilden mit 50 bis 55 Prozent den größten Teil der insgesamt 20 Millionen IrakerInnen. Ihre Gegnerschaft zu dem Regime in Bagdad erklärt sich schon deshalb, weil das von der sunnitisch- arabischen Minderheit des Landes dominiert wird.

In den den Schiiten heiligen Städten Nadschaf und Kerbala sowie den südirakischen Sümpfen hat die militante Gruppe ad-Dawa (Islamischer Ruf) ihre Hochburg. Immer wieder überfällt sie Vertreter des Regimes. Trotz ihrer Stärke hat die ad-Dawa ein gestörtes Verhältnis zu den USA. Gemeinsam mit dem Obersten Rat für die Islamische Revolution im Irak wird sie vom Iran unterstützt, und dem gelten die USA offiziell noch immer als „Großer Satan“.

Im Juni 1992 versammelte sich in Wien erstmals der „Irakische Nationalkongreß“ (INC). Angetrieben von den Aufständen im Irak und motiviert von Geldern aus Kassen der CIA, wollten sich Schiiten, Sunniten, Kurden, arabische Nationalisten und Kommunisten auf ein gemeinsames Programm einigen. Doch das Bündnis zersplitterte bereits, bevor es richtig zustande kam. Wichtige Organisationen wie die kurdischen Parteien, Schiiten und Kommunisten sind allenfalls noch nominell an dem Bündnis beteiligt.

In Iraks Nachbarland Jordanien hat ein anderes irakisches Oppositionsbündnis sein Hauptquartier: die „Nationale Irakische Übereinkunft“. Der Name ist Programm. Die Organisation ist ein Sammelbecken ehemaliger Stützen des Regimes: ehemalige Generäle, Funktionäre der Baath-Partei und Agenten, allen voran der ehemalige Geheimdienstchef Wafik Samarai. Die meisten dieser Herren haben selbst Blut an den Fingern. Demokratisierung gehört ebensowenig zu ihrem Programm wie die Forderung nach einem Tribunal für Iraks derzeitige Herrscher. Ihre Parole lautet schlicht: Sturz Saddam Husseins! Dazu beitragen soll der engste Kreis um den irakischen Diktator, dem dafür Straffreiheit winkt. Wohl deshalb gehört die „Nationale Irakische Übereinkunft“ zu den wahrscheinlichsten Empfängern der von Clinton bewilligten Millionen. Thomas Dreger