Clintons Krieg an zwei Fronten

■ Wenn US-Präsident Bill Clinton geglaubt haben sollte, mit dem Kampfeinsatz gegen den Irak wäre die Heimatfront nun geeint, dann hat er sich getäuscht. Die Republikaner kritisieren den Einsatz amerikanischer Soldaten als billiges Ablenkungsmanöver von der Lewinsky-Affäre. Dabei war der Militärschlag gegen Saddam Hussein schon lange geplant

„Parteipolitik endet an Amerikas Küste!“ Dieser Ausspruch des legendären ehemaligen Senators aus Michigan, Arthur Vandenburg, scheint nicht mehr zu gelten. Als Präsident Clinton am Mittwoch, einen Tag vor der geplanten Abstimmung über die Einleitung eines Amtsenthebungsverfahrens, Bombenangriffe auf den Irak anordnete, reagierten führende Republikaner wie eine Meute von Bluthunden, denen im letzten Augenblick ihre Beute entkommen war.

Der Fraktionsführer der Republikaner im Senat, Trent Lott, erklärte, er könne den Präsidenten nicht unterstützen: Das Timing und die Motive der Bombenangriffe seien suspekt. Der republikanische Abgeordnete im Repräsentantenhaus, Gerald Solomon, formulierte es drastischer: „Man soll nie unterschätzen, wozu ein Präsident fähig ist, der verzweifelt an seinem Amt festhält.“ Und der republikanische Fraktionsvorsitzende im Repräsentantenhaus, Richard Armey, erklärte, die Zweifel an den Motiven des Präsidenten seien allein schon Grund für seine Entfernung aus dem Amt.

Nach einer internen Beratung trat die republikanische Fraktionsführung zusammen mit dem designierten Vorsitzenden des Repräsentantenhauses, Bob Livingston, vor die Kamera und verkündete sichtlich verärgert, Debatte und Abstimmung über das Impeachment würden verschoben – aber nicht lange. Der künftige Sprecher des Hauses schickte Saddam Hussein auch noch ein Signal nach Bagdad: „Ich hoffe, all unsere Soldaten sind Weihnachten wieder zu Hause.“

Ganz unerhört und neu ist diese Aufkündigung der Solidarität durch die Opposition nicht. Man denke an die Opposition gegen den Vietnamkrieg und den schmutzigen Krieg in Nicaragua. Aber auch beim Raketenangriff Clintons auf Afghanistan und den Sudan im August hatte es schon herbe Kritik seitens der Republikaner gegeben: „Solch schnelle Reaktion und harter Angriff sind so ganz und gar nicht die Art Bill Clintons, den die Nation als Zögerer kennengelernt hat“, erklärte damals der republikanische Senator aus dem US-Bundesstaat Indiana, Dan Coats. „Ich fürchte, wir haben einen Präsidenten, der verzweifelt an seinem Job festhält. Ich glaube, daß dieser Präsident unwiederbringlich das Band des Vertrauens zerstört hat, das er braucht, um wirkungsvoll regieren und die freie Welt führen zu können.“

Die jüngsten Bombenangriffe und auch ihr Zeitpunkt wurden allerdings schon im November bei der letzten Irakkrise geplant. Damals holte Clinton seine Bomberflotten gegen den Rat seines Berater- und Generalstabs im letzten Moment zurück, weil Saddam Hussein einlenkte. Bei der nächsten Behinderung der Waffeninspektoren der UNO, so versprach er daraufhin, werde ohne vorherige Warnungen, Verhandlungen oder Rücksprachen militärisch gegen den Irak vorgegangen. Am Dienstag nun legte Richard Buttler, der Leiter der Unscom, seinen Bericht vor, der den Irak abermaliger und wiederholter Obstruktion zieh. Hätte Clinton nicht gehandelt, wäre er der Führungsschwäche geziehen worden.

Der Zeitpunkt des Angriffs sei, so Präsident Clinton in seiner Rede an die Nation, auch durch den heute beginnenden islamischen Fastenmonat Ramadan bestimmt gewesen, in dem Kriegführen muslimische Sensibilität verletzt hätte. Warum es humaner sein soll, Menschen lieber vor als während des Festes zu töten, erklärte er nicht. Die Gesetze des Islams übrigens erlauben es ausdrücklich, das Fasten während des Krieges auszusetzen.

Wichtiger dürfte ein ganz anderes Ereignis sein: Clinton ist gerade von einem Triumphzug durch Gaza zurückgekehrt. Mit seinem Besuch in der Hauptstadt der Palästinenser hat der US-Präsident dem Herzstück des arabischen Nationalismus seine Reverenz erwiesen. Wollte er das arabische Wohlwollen und die Gunst der Stunde zur Isolation des Irak nutzen, mußte er jetzt handeln.

Mit der Ramadan-Begründung aber hat sich Clinton in eine Zwicklmühle manövriert. Endet die Bombenkampagne am Freitag, wird er beschuldigt werden, wieder nur Nadelstichpolitik gegenüber dem Irak zu betreiben. Dauert es länger, so wie es Republikaner immer gefordert haben, wird man Clinton bezichtigen, sein Impeachment über die im Januar ablaufende Legislaturperiode des jetzigen Kongresses hinaus verzögern zu wollen.

Ramadan hin, Impeachment her – die Vorstellung, ein US- Präsident könne zur Ablenkung von seinen Schwierigkeiten mal eben einen Militärrschlag befehlen, verkennt das Eigengewicht der babylonischen Pentagon-Bürokratie. US-Verteidigungsminister ist der langjährige republikanische Senator William Cohen. Nicht nur den hätte Clinton sich zum Spießgesellen machen müssen, sondern auch noch den gesamten Generalstab, die CIA, den Nationalen Sicherheitsrat und Tony Blair noch dazu.

Der Impeachment- Zug ist mit der Militäraktion ohnehin nicht gestoppt. Am Freitag, Samstag oder Montag wird die entsprechende Sitzung im Repräsentantenhaus nachgeholt. Die innenpolitischen Grabenkämpfe um Präsident Clinton überschatten deutlich seine Außenpolitik und seine Fähigkeit, nationalen Konsens zu schaffen. Eine Ironie der Geschichte ist, daß der Präsident, der anders als sein Vorgänger Bush jetzt den Sturz Saddam Husseins zum Ziel der US-amerikanischen Irakpolitik erklärt hat, selbst vor dem Sturz steht. Peter Tautfest, Washington