Mitlachen, Sportsfreunde!

■ Fischer und Roth untersuchen erstmals Fußballerbiographien literaturwissenschaftlich

Fußballermemoiren stellen ein bisher kaum beachtetes Subgenre in der deutschen Literaturgeschichtsschreibung dar. Buchtitel wie „Spiele, die ich nie vergesse“ (Fritz Walter), „Alle meine Tore“ (Uwe Seeler), „Wie ich wurde, was ich bin“ (Norbert Nigbur) oder „Unser Weg ins Endspiel“ (Karl- Heinz Rummenigge) hielten schließlich von jeher, was sie versprachen: so gut wie gar nichts.

Wer hier systematische Lektüre betreiben will und weder Hardcore-Fan ist noch pubertären Identifikationsmustern verhaftet, muß einen an Trashkultur geschulten Sinn für Humor oder ein quasi ethnologisches Erkenntnisinteresse sein Eigen nennen. Sonst droht spätestens beim achten der acht (!) Werke Sepp Maiers der Exitus. „Mitlachen, Sportsfreunde“!

Als Bausteine einer „kleinen geheimen Kultur- und Sittengeschichte“ verstehen Gerhard Fischer und Jürgen Roth deshalb diese autobiographischen Ergüsse im Vorwort ihres Buches „Leben voller Fallrückzieher“. Sie haben, nach beeindruckender Rechercheleistung quer durch die Unibibliotheken und Antiquariate der Republik Dutzende von Lebensbeschreibungen zusammengetragen und zusammengefaßt. Letzteres mal kritisch, mal ironisch.

Während die Erinnerungen Edmund Conens oder Sepp Herbergers primär auf ihre Berührungspunkte mit der NS-Zeitgeschichte abgeklopft und dementsprechend als Verdrängungsliteratur gelesen werden, geben die Quellen in den Fällen Toni Schumacher oder Berti Vogts wenig mehr als den Steinbruch einer Sekundärliteratur der konsequenten Belustigung ab. Bisweilen fallen diese Abschnitte allerdings allzu sehr in einen Jargon, wie man ihn schon aus der von Roth konzipierten Kommentatorenschelte „Wieder keine Anspielstation“ kennt. Dann gerät das Ganze zur wohlfeilen Aufklärung für Menschen, die fußballbuchtechnisch sowieso schon auf der richtigen Seite stehen. Das heißt, die Abneigung der Autoren gegen Kollegen wie Schulze-Marmeling oder Böttiger teilen.

Gelungener sind da die Passagen, in denen man gleich zu den eher literarischen Formen durchstartet. Der Fake-Fragebogen Günter Netzers aus dem FAZ-Magazin, Knittelverse über Paul Breitner und Uli Hoeneß („Verwirrt lief ich an und erblickte / Wie der Ball immer höher stieg“), die WM 1970 als chorkommentiertes antikes Drama – hier gelingt der Crossover aus Humor und Wissenschaft. Auch wenn er bisweilen den Blick auf die eigene Arbeitsweise zu verstellen scheint.

„Fußball ist Fußball, Literatur Literatur“, schreiben Fischer und Roth irgendwo, als es wieder mal „das verquaste und verblödete Fußballfeuilleton“ zu maßregeln gilt. Daß dem nicht so ist und ihr Buch der beste Beweis dafür, steht aber schon in dessen Widmung: „Für Lothar Matthäus und Ror Wolf“. Womit eigentlich alles gesagt wäre. Malte Oberschelp