Kleine Schritte zur Befriedung des Kongo

Der Afrika-Sondergipfel in Burkina Faso bringt ein wenig Annäherung zwischen den Kongo-Kriegsparteien: Während die Rebellen militärisch auf dem Vormarsch sind, ist die Regierung Kabila politisch auf dem Rückzug  ■ Von Dominic Johnson

Berlin (taz) – Die Zeit läuft gegen Laurent-Désiré Kabila. Die Rebellen, die gegen das Regime des Präsidenten der Demokratischen Republik Kongo kämpfen, beherrschen mittlerweile fast die Hälfte des Kongo, etwa das gesamte Gebiet östlich einer Linie von Lisala im Nordwesten bis Kabalo im Südosten.

Kabilas Hilfstruppen aus Angola, Simbabwe, Namibia und Tschad richten offenbar gegen den Vormarsch ihrer von Ruanda, Uganda und Burundi gestützten Gegner wenig aus: Nachdem im November die Tschadier im Norden des Kongo geschlagen wurden und sich zurückzogen, sind in diesem Monat die Simbabwer dran. Fast täglich fliegen sie Luftangriffe auf rebellenbeherrschte Ortschaften im Süden des Kongo, und fast täglich melden die Rebellen den Abschuß von simbabwischen Flugzeugen oder den Tod simbabwischer Militärs.

Genauso allmählich, wie Kabila die Kontrolle über sein Land verliert, bewegt er sich nun auf eine friedliche Lösung des seit August tobenden Konfliktes zu. Vor vier Monaten wollte er noch den Krieg nach Ruanda tragen. Vor zwei Monaten wollte er einen Waffenstillstand erst dann, wenn die „Aggressoren“ das Land verlassen hätten. Heute stellt er als Bedingung für ein Waffenstillstandsabkommen nur noch die Erstellung eines Zeitplans für den Rückzug der ausländischen Truppen.

Dieses kleine, aber wichtige Zugeständnis brachte einen kleinen, aber entscheidenden Durchbruch beim Sondergipfel der „Organisation für Afrikanische Einheit“ (OAU) in Burkina Fasos Hauptstadt Ouagadougou in den vergangenen zwei Tagen. Nach moderaten Äußerungen der nur informell an den Gesprächen beteiligten Rebellen konnte der OAU-Gipfel in der Nacht zu gestern mit vorsichtigem Optimismus zu Ende gehen. „Was hier geschehen ist, wird die Friedenschancen verbessern“, erklärte OAU-Generalsekretär Salim Ahmed Salim und kündigte an, man werde am 27. und 28. Dezember in Sambias Hauptstadt Lusaka ein Waffenstillstandsabkommen unterschreiben.

Verglichen damit, daß dieser Waffenstillstand eigentlich schon jetzt beim OAU-Gipfel hätte unterzeichnet werden sollen – das wurde auf dem franko-afrikanischen Gipfel in Paris Ende November vereinbart –, ist das enttäuschend. Verglichen aber mit den pessimistischen Prognosen noch vor wenigen Tagen hat die OAU den Kongo-Friedensprozeß in letzter Minute gerettet. Zeitungen in Kongos Hauptstadt Kinshasa hatten zuletzt bereits spekuliert, nach dem sicheren Scheitern des OAU- Gipfels werde entweder der Krieg schlagartig eskalieren oder die Rebellen würden ihr Territorium vom Kongo abspalten.

Eine formelle Abspaltung der östlichen Hälfte des Kongo ist jedoch für die Rebellen gar nicht nötig, denn sie – und damit ihre Schutzherren Uganda und Ruanda – beherrschen ihr Gebiet auch so. Faktisch haben Ruanda und Uganda ihre Kriegsziele erreicht, nämlich die Schaffung einer „Sicherheitszone“ im Osten des Kongo, um sich selbst vor Angriffen von im Kongo stationierten Rebellen zu schützen. Für sie wäre es unannehmbar, daß der ihnen feindlich gesonnene Kabila die Kontrolle über den Osten des Kongo zurückgewänne.

Im OAU-Friedensplan für den Kongo, der dem des franko-afrikanischen Gipfels in Paris gleicht, ist das daher auch nicht vorgesehen. Vielmehr soll nach dem Inkrafttreten einer Feuerpause und dem Abzug aller ausländischen Truppen eine neutrale, vermutlich afrikanische Friedenstruppe mit UNO- Mandat den Osten des Kongo und die Grenzen zu den Nachbarn sichern. Der UN-Sicherheitsrat erklärte sich bereits am 11. Dezember zu einer „aktiven Beteiligung der Vereinten Nationen“ an der Befriedung des Kongo bereit.

Für die Regierung Kabila hätte eine UN-Stationierung Vorteile. Sie würde eine „Sicherheitszone“ auch für ihn bedeuten. Kabilas Logik ist klar: Je mehr Territorium er verliert, desto bereitwilliger überläßt er das von ihm nicht kontrollierte Gebiet der UNO. Von den ausländischen Teilnehmern am Kongo-Krieg ist offenbar nur Ruanda gegen eine UN-Truppe – die ruandische Regierung traut der UNO, die dem ruandischen Völkermord von 1994 tatenlos zusah, nicht über den Weg.

Die kongolesischen Rebellen können von all dem erst profitieren, wenn auch der letzte Punkt des OAU-Friedensplanes umgesetzt wird – ein „interner politischer Dialog“ im Kongo. Die größte Schwäche der Rebellen ist derzeit ein zunehmendes Auseinanderdriften ihrer verschiedenen Fraktionen – Verbündete Ruandas, Verbündete Ugandas, kongolesische Tutsi, nostalgische Mobutu-Militärs. Trotz ihrer gegenwärtigen militärischen Übermacht böte ein baldiger Waffenstillstand für sie eine Verschnaufpause, um sich politisch neu zu ordnen.