Freiheit in den Netzen spart Geld

Bilanz nach einem Jahr Liberalisierung: Die Telefontarife sind 72 Prozent billiger als zu Zeiten des Monopols. Der Wettbewerbsdruck steigt weiter – zur Freude der Kunden  ■ Von Jens Uehlecke

Berlin (taz) – Vor fast einem Jahr, am 1. Januar 1998, wurde der Telefonmarkt in Deutschland liberalisiert. Zeit, Bilanz zu ziehen. Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post legte gestern in Bonn ihren Jahresbericht vor. Das Fazit: „Es zeigt sich deutlich, der Wettbewerb ist gut für den Verbraucher.“

Das bezieht sich vor allem auf den Preiskampf, den sich die neuen Telefongesellschaften mit der Deutschen Telekom seit Anfang des Jahres liefern. 51 Unternehmen buhlen mit immer billigeren Tarifen – vor allem für Ferngespräche ins In- und Ausland sowie in die Mobilfunknetze – um die Kundengunst. Nutznießer sind die Verbraucher: Mußten sie im Januar beim rosa Riesen tagsüber für ein Inlandsgespräch noch rund 60 Pfennig pro Minute berappen, verlangt der günstigste Anbieter heute nur noch 17 Pfennig, also etwa 72 Prozent weniger. Für Gespräche nach 21 Uhr werden nur noch 7 statt 24 Pfennig berechnet.

Gleichzeitig ist die Akzeptanz gegenüber den neuen Unternehmen erheblich gestiegen. Zwei von drei Telefonkunden sehen die Telekom-Konkurrenz positiv, jeder sechste nutzt regelmäßig deren Angebote. Die Telekom verlor einen Marktanteil von rund 30 Prozent, bezogen auf Gespräche ins In- und Ausland sowie in Mobilfunknetzen. Der Umsatz des Telefongiganten nahm im dritten Quartal leicht ab. Insgesamt wickeln die neuen Anbieter heute täglich rund 100 Millionen Gesprächsminuten ab, im vergangenen Jahr konnten sie damit einen Umsatz von 2,5 Milliarden Mark erzielen, 1,6 Milliarden investierten sie in ihre Festnetze.

Doch zu Beginn des liberalisierten Telefonmarktes lief nicht alles glatt: Nach der anfänglichen Euphorie wurde so manch Kunde ernüchtert. Besonders zu Jahresbeginn waren die Leitungen vieler Newcomer völlig überlastet. Gespräche wurden unterbrochen, viele kamen über das Besetzt-Zeichen gar nicht erst hinaus. Bei einem Teil der Gesellschaften dauerte es Monate, bis die Anschlüsse der neuen Kunden freigeschaltet wurden. Einige Unternehmen rechneten sogar falsch oder mit monatelanger Verspätung ab. Größtes Ärgernis: Bis heute gibt es keinen einheitlichen Standard zur Übermittlung des Gebührenimpulses. Die Kosten können deshalb nicht nach jedem Gespräch vom Display des Telefons abgelesen werden. Dabei gibt es die technischen Möglichkeiten schon lange.

Streit gibt es auch um die sogenannte letzte Meile. Telefongesellschaften, die ihren Kunden einen Komplettanschluß anbieten wollen, müssen deren Hausanschluß von der Telekom für vorläufig 20,65 Mark im Monat mieten. Die Telekom möchte aber mehr verlangen: Sie hatte bei der Regulierungsbehörde beantragt, die Miete auf 47,26 Mark zu erhöhen. Drei Tage vor der Entscheidung zog die Ex-Monopolistin den Antrag überraschend zurück. Wirtschaftsminister Werner Müller hatte den Rückzug empfohlen, als sich abzeichnete, daß nur etwa 23 Mark genehmigt würden. Für die Konkurrenz ist die Einmischung ein Skandal. Sie kann ihre Tarife für das Ortsnetz erst kalkulieren, wenn die Miethöhe endgültig entschieden ist. Solange das aber verzögert wird, wagen nur wenige Gesellschaften, der Telekom im Ortsnetz Paroli zu bieten.

Nach einem Jahr ist auch deutlich geworden, daß viele Unternehmen mit einer falschen Strategie in den Wettbewerb eingestiegen sind. Die Telefongesellschaft Otelo, Tochter der Energieversorger RWE und Veba, versuchte in der Anfangsphase etwa, Kunden ausschließlich über Festverträge zu gewinnen. Otelo erkannte zu spät, daß die meisten Kunden nur „Call by call“-Angebote wahrnehmen. Wichtige Marktanteile hatte die Konkurrenz bereits unter sich aufgeteilt. Focus berichtete, daß Otelo 1999 einen Verlust von 800 Millionen Mark erwarte. Hunderte Stellen müßten abgebaut werden.

Doch die meisten Telefongesellschaften werden auch 1999 ihre Tarife senken und damit auf den steigenden Wettbewerbsdruck reagieren. Sicher ist auch, daß neben dem Preis zukünftig auch andere Aspekte eine stärkere Rolle spielen, etwa ein intensiverer Service oder kostenlose Internet-Zugänge. Ein neuer Impuls wird auch von der Internet-Telefonie ausgehen, durch die Auslandsgespräche bald so günstig wie Ortsgespräche werden könnten.