Männer-Familie-Mercedes

■ Stabswechsel im Bremer DaimlerChrysler-Werk: Weingarten geht, Starr kommt / Beim Amtsantritt ging es vor allem um Autos, das „Gespür für Menschen“ und Familie

Wenns ums Auto geht, sind die Männer gern unter sich. „Meine Herren“, begann der aus Stuttgart angereiste Daimler-Manager Helmut Petri am Freitag seine Abschiedsrede für den scheidenden Bremer Werksleiter Hans-Heinrich Weingarten vor den rund 100 Führungskräften. Daß da doch eine Frau zwischen den grauen Anzügen stand, hatte er glatt übersehen. Am 26. Januar 1998 war der von allen geschätzte Werksleiter Dietrich Zeyfang verabschiedet worden, nun geht Weingarten, der Neue heißt Martin Karr – macht das einen Unterschied? Darf das einen Unterschied machen in einem Betrieb, in dem jedes Rädchen in das nächste greifen muß? Offenbar doch: Es gab jede Menge Zwischentöne beim Stabswechsel im bescheidenen „Festsaal“ des DaimlerChrysler-Werkes. Er hat „ein Gespür für Menschen“, er kann sich „schnell in andere Menschen hineindenken“, ein „Werksleiter zum Anfassen und Ansprechen“, lobte der Mann aus Stuttgart. Das war wohl auch der Grund, warum man ihn in Stuttgart brauchte, als der dortige Werksleiter einen Sprung nach oben machte auf der Karriereleiter. Aber sind das nicht selbstverständliche Eigenschaften einer Führungskraft? Udo Richter, der Betriebsratschef, der die Werksleiter kommen und gehen sieht, findet das offenbar nicht. „Ich bin nicht glücklich“, gestand Richter. Und dem Neuen gab er ausdrücklich zu verstehen, daß die Belegschaft „auf Kontinuität“ hoffe. Wobei der Stil „durch Zeyfang“ geprägt sei. Von dessen Vorgänger, Stark hieß er wohl, redet hier niemand mehr. Der Betriebsrat findet besonders lobenswert, daß Weingarten sich nicht zu fein war, „sich auch einmal in der Produktion blicken zu lassen“. Weingarten selbst ist gerührt durch so viel des Lobes. Abschiedsreden kommen selten ohne Kalauer aus. „Mein Herzensanliegen ist die Familie“, formuliert Weingarten, aber die läßt er gerade mal wieder in Bremen zurück. Mehr meint er hier auch die „Mercedes-Familie“ und die „Werksfamilie“. Die Belegschaft sei motiviert, die Führungskräfte hätten eine „offene Art“, miteinander umzugehen – „Ich fühle mich ausgesprochen wohl hier.“ Aber Weingarten weiß, daß man auch in Sindelfingen liest, was er hier sagt. „Ein Schmuckstück“ sei das Bremer Werk, hatte er beim Amtsantritt in Bremen gesagt, aber das in Sindelfingen sei eben „die Perle“ in der Mercedes-Familie, hat er in Sindelfingen hinzugefügt. Die Bremer Führungskräfte verstehen das und danken mit einem ganz kräftigen Applaus.

Und dann muß Martin Karr reden, der 47jährige Diplomingenieur, der sich wie die meisten anderen der Mercedes-Manager durch Lackabnahme und Karosseriebau und Zentralkundendienst und Qualitätsmanagement hochgearbeitet hat. Und den hier eigentlich niemand gewollt hatte. Was soll er noch sagen, nachdem seine Vorgänger so gelobt worden sind? „Wir haben uns die Entscheidung, Weingarten schon wieder nach Sindelfingen zurückzuholen, nicht leicht gemacht“, hatte Daimler-Vorstand Jürgen Hubbert gesagt. Aber man brauche ihn, der neue Mann wurde offenbar als Ersatz von Sindelfingen geschickt. „Wenn man auf die Brücke eines Ozeanriesen gestellt wird“, hatte der scheidende Weingarten seinem Nachfolger als guten Rat mitgegeben, dann solle man vorsichtig sein mit abrupten Kursänderungen. Der neue Bremer Werksleiter, Martin Karr, räumte ein, daß es „nicht leicht“ sei, jetzt noch zu reden. Er jedenfalls habe „keine Einwendungen“ gegen seine Bestellung, für ihn sei es „eine Herausforderung“.

Und dann kam der Napoleon-Effekt durch bei dem Mann, der glatt einen Kopf kürzer ist als die übrige Mercedes-Führungsmannschaft: „Nicht zum Bewahren“ sei er hier angetreten, meinte Karr trotzig, und hatte als Begründung auch einen Kalauer parat: „Stillstand ist Rückschritt“. Ob er dabei etwas Präzises im Kopf hatte, wird die Bremer Belegschaft erst im nächsten Jahr erfahren. K.W.