Die Köpi wird zwangsversteigert

■ Die Bewohner der ex-besetzen Köpenicker Straße 137 in Mitte befürchten den Abriß des Hauses zugunsten eines Einkaufscenters

Das alternative Wohn- und Kulturprojekt „Köpenicker Straße 137“ in Mitte steht möglicherweise vor dem Aus. Weil der bisherige Besitzer hochverschuldet ist, soll das Gebäude jetzt zwangsversteigert werden. „Auch ein Abriß wäre wirtschaftlich vertretbar“, heißt es in einem Gutachten, das das Sachverständigenbüro Bernd Scheuner im Auftrag des Amtsgerichts Mitte erstellt hat. Das Gutachten war den Mietern des Hauses nach eigenen Angaben nur „zufällig in die Hände gefallen“. Der Gebäudekomplex ist seit Jahren über die Stadtgrenzen hinaus unter anderem als Veranstaltungsort für Konzerte und Veranstaltungen der autonomen Szene bekannt geworden.

Nach Angaben der Sachverständigen soll auf dem an das Haus angrenzenden 20.000 Quadratmeter großen Areal das Großbebauungsprojekt „Sonnenhöfe“ entstehen. Dabei, so die Bewohner, handele es sich um ein 200-Millionen- Projekt. Geplant seien unter anderem ein Einkaufscenter, Eigentumswohnungen und eine Niederlassung der Volkswagen AG.

Obwohl sie zum Teil seit acht Jahren in der Köpenicker Straße 137 wohnen, werden die Mieter in dem Gutachten als „Hausbesetzer“ geführt, die das Haus „lediglich zur Unterkunft“ nutzen würden. Selbst die Kosten für eine Räumung des Hauses sind im Gutachten bereits berücksichtigt. Schätzwert: 100.000 Mark.

Die 35 Bewohner verweisen jedoch darauf, daß sie „allesamt“ über gültige, unbefristete Mietverträge verfügten – in dem Dossier ist von lediglich einem Mietvertrag die Rede.

Ralf Hirsch, Mitarbeiter der Senatsverwaltung für Bauen, Wohnen und Verkehr, bestätigt die Angaben der Bewohner. Das Gebäude gelte als legalisiert und werde als „ganz normales Wohnhaus“ geführt. Auch bautechnische Mängel, die eine Gefahr für Leib und Leben bedeuteten und damit eine Beräumung zur Folge hätten, seien nicht bekannt.

„Das 23seitige Gutachten wurde im Sommer 1998 von außen und ohne unser Wissen angefertigt“, kritisieren die Bewohner des Hauses, das im Februar 1990 als eines der ersten Häuser in Ost-Berlin besetzt worden war. Ein Jahr später, nach gewalttätigen Auseinandersetzungen um die besetzten Häuser in der Mainzer Straße in Friedrichshain, legalisierte die damalige Verwalterin des Hauses, die Wohnungsbaugesellschaft Mitte, das Mietverhältnis.

„Die Bewohner verweigerten zunächst den Zutritt“, erläutert eine Mitarbeiterin der Anwaltskanzlei Anton Meichsner, die das Gebäude derzeit zwangsverwaltet, das Zustandekommen des Gutachtens. Später sei der Sachverständige in ihrem Beisein auch innerhalb des Gebäudes gewesen. Die Existenz von Mietverträgen sei zum Zeitpunkt der Erstellung noch nicht bekannt gewesen, „weil die Mietzahlungen ausblieben“. Die Sprecherin bestätigte allerdings, daß derzeit eine ganze Reihe von Mietverträgen vorlägen, die auch nach einer Versteigerung ihre Gültigkeit behielten.

Die Bewohner der „Köpi“, wie das Anwesen in der Szene genannt wird, sind dennoch skeptisch. Sie sehen in dem Gutachten einen Versuch der Zwangsverwaltung, den Verkehrswert des Geländes in die Höhe zu treiben. „Das Bewertungsgrundstück liegt an einem sehr zentralen Standort der Luisenstadt“, attestiert das Sachverständigenbüro darin. Diese gelte als Erweiterungsgebiet für das Regierungsviertel und damit als „attraktiver Standort für hochwertiges Gewerbe“. Der Wert des Geländes wird auf 5,4 Millionen Mark geschätzt. „Die Versteigerung ist für den 16. Februar 1999 anberaumt“, so Hausbewohner.

Klein beigeben wollen die Ex- Besetzer vorerst nicht. „Legal kriegen die uns hier nicht so schnell raus“, so einer der Mieter. Angst haben die Bewohner jedoch vor einer illegalen Räumung, „Dachstuhlbrände oder so, wie das in Berlin nicht unüblich ist“.

Auf einer Vollversammlung sollte am gestrigen Sonntag abend über Handlungsmöglichkeiten diskutiert werden. „Die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit ist unsere einzige Chance“, so einer der Betroffenen. Geplant sind bislang eine Demonstration am 13. Februar sowie eine Kundgebung während der Zwangsversteigerung vor dem Amtsgericht Mitte. „Jeder Interessent soll sehen: So einfach sind wir hier nicht rauszukriegen.“ Andreas Spannbauer