Über Helmut Kohl hinaus

■ 16 Jahre lang war die ZDF-Weihnachtsserie eine Institution wie der Eiserne Kanzler. Im Schröder-Jahr eins wagt das ZDF, die leicht auf den Hund gekommene Tradition aufzunehmen

Max ist aus einer anderen Generation und hat sicher andere Sorgen. Aber allen über zwanzig stellt sich doch alle Jahre, wenn es gegen Heiligabend geht, wieder die Frage: Was macht eigentlich Patrick Bach? 1982 erschien der Braunschopf mit seinem verschmitzten Grinsen als „Jack Holborn“ in der ersten offiziellen Weihnachtsserie des ZDF in 30 Prozent der deutschen Fernsehhaushalte auf dem Bildschirm.

Max Riemelt tritt heute um 16.05 Uhr Bachs Erbe an: Er ist der Hauptdarsteller von „Zwei allein“, der Serie, die das ZDF dieses Jahr noch vor Ferienbeginn in den längst entbrannten Kampf um Kinder-Marktanteile schickt. Max ist zwei Jahre nach „Jack Holborn“ geboren. Und fünf nach „Timm Thaler“. Denn eigentich hatte ja alles schon 1979 mit Thommy Ohrner angefangen. 25 Prozent der Haushalte verfolgten damals zwischen den Jahren das Schicksal des Jungen, der sein Lachen verkauft hatte. (Ohrners Postbote ist ebendieses wohl bald vergangen, als er dem „Kinderstar“ die 50.000 Fanbriefe zustellen mußte.)

Nach diesem Zufallstreffer – die Serie war ursprünglich gar nicht für Weihnachten geplant gewesen – dauerte es zwei Jahre, bis das ZDF sich daran schickte, seine erfolgreiche Tradition zu begründen. Inzwischen ist die ZDF-Weihnachtsserie aus deutschen Kindheiten zwischen '82 und '98 genausowenig wegzudenken wie Helmut Kohl.

Und nun als Max, das Glückskind in harten Zeiten. Denn daß das ZDF die Fernsehfamilien mit einer Eigenproduktion beschert, ist seit „Frankie“ von 1995 keine Selbstverständlichkeit mehr. Last Christmas gab es eine australische Serie und im Jahr davor eine europäische Koproduktion. „Wir wollten's noch mal wissen“, erklärt Susanne Müller, Bereichsleiterin Kinder und Jugend, den abenteuerlustigen Gesinnungswandel beim ZDF, „wir wollten wissen, ob es uns noch mal gelingt, so ein richtiges Fernsehereignis zu schaffen.“

Denn nachdem 1985 die Privatsender auf dem Bildschirm erschienen waren, hat sich das natürlich auch in der behüteten Spielecke des Kinderprogramms bemerkbar gemacht. Während Serien wie „Nesthäkchen“, „Patrik Pacard“ und „Oliver Maas“ noch richtige Ereignisse waren, die das Potential hatten, die ganze Familie am televisionären Kaminfeuer zusammenzubringen, so habe die Vielfalt und das übergroße Angebot auch der Weihnachtsserie zugesetzt, klagt ZDF-Frau Müller. Die richtigen Kinderstars wie Thommy Ohrner, Patrick Bach und Henrik Martz stammen folglich samt und sonders aus dem rein öffentlich-rechtlichen Zeitalter.

Mit „Anna“ tanzte sich dann 1987 ein letztes Mal die Schülerin und angehende Ballerina Silvia Seidel zu vergleichbaren Ruhm empor – aber vielleicht hatte das ja auch mit Patrick Bachs Gastauftritt als Lebensmut versprühender Rollstuhlfahrer zu tun.

In „Zwei allein“ hat es Max, der auch einen „Max“ spielt, nun besonders schwer, der Star des Weihnachtsfestes zu werden. Nicht nur die Privatsender machen ihm Konkurrenz, sondern auch sein Partner, mit dem er sich den Star-Part teilen muß: Juli, ein Labrador. Rex läßt grüßen. Der Waise und der Hund, beides Ausreißer, finden auf einem Schrottplatz zusammen. Für sechs Folgen ist das der Beginn „einer wunderbaren, unendlichen Freundschaft“ (Pressetext), die immer wieder bedroht wird durch Jugendamt, Waisenhaus, Polizei und andere lästige Erwachsene.

Manches hat sich bei „Zwei allein“ im Vergleich zu früher geändert. Nicht nur, daß der ZDF-Etat für die Serie im Verhältnis zu den Produktionskosten geschrumpft ist. „Zwei allein“ ist auch nicht nur als Weihnachtsserie gedacht, sondern so angelegt, daß es im Kinderprogramm immer wieder wiederholtundwiederholtundwiederholt werden kann. Der zwölfjährige Held ist darum auch jünger als sonst und die Serie stärker an der isolierten Zielgruppe der Kinder mit eigener Glotze im Kinderzimmer orientiert als an der Zusammenführung der Fernsehfamilie im Wohn- und Weihnachtszimmer.

Pädagogisch wertvoll wie eh und je wird auch diesmal im Sinne des Entwicklungsromans erzählt: Der jugendliche Held überwindet Hindernisse, entwickelt sich und grinst uns in der letzten Folge ein Stück reifer ins Wohnzimmer. Verändert habe sich auch, daß es immer schwieriger geworden sei, Abenteuergeschichten zu erzählen, sagt Produzent Bernd Burgemeister: „Warum nehmen die nicht einfach ein Handy mit“, wendeten die Kids heute schnell glaubwürdigkeitserschütternd ein, „dann können sie in gefährlichen Situationen Hilfe rufen.“

Drehbuchautor und Regisseur Matthias Steurer hat in „Zwei allein“ trotzdem eine spannende Geschichte erzählt. Die guckt sich bestimmt auch Patrick Bach gerne an. Ania Mauruschat

„Zwei allein“, 21., 22., 23., 28., 29. und 30.12.1998 jeweils um 16.05 Uhr im ZDF