Sexaffären bestimmen die Politik

■ Auch die Republikaner haben ihre Sexskandale. Prominentestes Opfer ist der designierte Parlamentspräsident Bob Livingston

Dem designierten Parlamentspräsidenten schlug die aggressive Stimmung der demokratischen Minderheit entgegen. Als der Republikaner Bob Livingston sich ans Rednerpult stellte und den Rücktritt von Clinton zu fordern begann, durchbrachen – für Amerikas Parlament ungewöhnlich – Zwischenrufe der Demokraten die weihevolle Stimmung der Impeachment-Debatte. „Selbst zurücktreten!“ schallte es ihm entgegen. Kurz darauf wünschten einige Abgeordnete, sie hätten lieber ihren Mund gehalten.

Erst war die Häme groß, als letzte Woche bekannt wurde, auch Bob Livingston sei in seiner Ehe fremdgegangen – genau wie der silberhaarige Henry Hyde, Vorsitzender des Rechtsausschusses, und Dan Burton, Vorsitzender eines Ausschusses, der die Parteispenden der Demokraten untersuchte, sowie Helen Chenoweth, eine konservative Abgeordnete aus Idaho. Doch dann tat Livingston genau das, was von ihm verlangt wurde: Er trat zurück und forderte Clinton auf, seinem Beispiel zu folgen.

Nein, so war das nicht gemeint, im Gegenteil: Livingston solle sich zusammen mit den Demokraten gegen eine Politik des sexuellen Rufmords stellen. Clinton wiederholte später diese Forderung. Es müsse endlich Schluß sein mit einer Politik der persönlichen Angriffe und des Charaktermords. Dabei stehen wir erst am Beginn einer Phase der Sexualisierung amerikanischer Innenpolitik. Von einem „sexuellen Armageddon“ sprach das Online-Magazin Slate im September. Es sei die Geheimwaffe des Weißen Hauses gegen den Starr-Report und das Impeachment.

Das Weiße Haus weist den Vorwurf weit von sich. Sexuelle Enthüllungen gehören in Amerika seit langem zum Arsenal politischer Auseinandersetzungen – erinnert sei an das Ende der Kandidatur Gary Harts durch seine Affäre mit Donna Rice. Clinton war der erste, der in Umlauf gesetzte Frauengeschichten überlebte. Einer Strategie des Weißen Hauses bedarf es gar nicht. Larry Flynt, Herausgeber des Sexmagazins Hustler, setzte im Sommer eine ganzseitige Anzeige in die New York Times. Eine Million versprach er Frauen, die mit Senatoren und Abgeordneten Verhältnisse gehabt hatten. Das Vorbild gab ein Unterstützerkomitee für Paula Jones. Per Anzeigen wurden Frauen gesucht, die mit Bill Clinton Affären gehabt oder von ihm sexuell angemacht worden waren. Hustler dürfte jetzt amerikanische Innen- und Machtpolitik bestimmen. Eine ganze Reihe von Frauen soll sich gemeldet haben. Auch Livingstons Affären entstammen diesem Fundus.