Neues über Nichtkommenpflaume

■ Erst- und einmalig hat der Kellner-Verlag viel Wissenswertes über fast alle Bremens der Welt zusammengetragen

„Die Deutschen“, schrieb Fredrika Bremer anno 1850, „leben hier wie in Alt-Deutschland. Sie sind gemütlich, trinken Bier, üben Musik und denken hier immer noch über die Weltgeschichte nach.“ Die schwedische Autorin machte diese Notiz nach einem Besuch des Vater-Rhein-Distrikts, der heute ein Stadtteil von Cincinnati im US-Bundesstaat Ohio ist. Wenigstens zum Teil müßte Fredrika Bremer ihr Urteil heute korrigieren. Denn nicht alle Deutschen denken mehr über Weltgeschichte an sich, sondern über die Globalisierung des Provinziellen nach. Unter ihnen der Bremer Verleger Klaus Kellner und sein Autor Johann-Günther König.

Das neueste Buch des Kellner-Verlages (Bremen/Boston) informiert nämlich umfassend über Bremen sowie über die meisten bekannten Bremens auf diesem Planeten. Die nach Verlagswerbung „erst- und einmalige Zusammenstellung“ namens „Bremen in aller Welt“ („Bremen worldwide“) macht auf über 200 Seiten im Hardcover mit so schönen Flecken Erde wie New Bremen, Ohio, Bremen Township, Minnesota, oder Dalbérgia alias Neu Bremen im brasilianischen Bundesstaat Santa Catarina bekannt. Was dabei überraschend ist: Nur drei dieser weit mehr als 20 Neugründungen in Übersee wurden so benannt, weil sich dort ausgewanderte BremerInnen oder ihre Kinder niederließen oder die Ex-Frau des meistens namensgebenden Post- oder Eisenbahnstationsvorstands aus Bremen, Deutschland, kam.

Nach einem offenbar vom Verkehrsverein oder von der Senatspressestelle übernommenen „Blick auf Bremen heute“, womit die nach wie vor mit Abstand größte Stadt dieses Namens gemeint ist, folgt ein Streifzug rund um die Welt. Der von dieser Bremen-Werbung noch nicht ganz abgeneigte Leser erfährt zum Beispiel, daß die ChinesInnen das Wort Bremen phonetisch entweder mit den Schriftzeichen für „Nicht“, „Kommen“ und „Pflaume“ oder – häufiger – mit den Zeichen für „Tuch“, „Gewalt“ und „Tor“ wiedergeben. Vom anderen Ende der Welt, also dem Fluß Medomak im US-Bundesstaat Maine, berichtet Johann-Günther König, daß drei Bremer Familien 1742 zur Gründung einer gleichnamigen Ortschaft aufbrachen, als „150 Pfälzer“ in ihrer bisherigen Wahlheimat Waldoburg eintrafen. Vor einem Überfall durch Indianer waren die Neu-Bremer indes auch nach ihrer Flucht (?) vor den Pfälzern nicht sicher.

Johann-Günther König darf indes durchaus den Titel Indianerfreund tragen. In den Gebieten westlich der Appalachen, in denen Bremen-Grüdungen insgesamt etwa so häufig sind wie McDonald's-Neueröffnungen in Bremen, Deutschland, waren freilich schon Menschen da, bevor die Leute aus der Pfalz, Sachsen oder dem Königreich Hannover kamen. Staatennamen wie Illinois oder Indiana gehen, wie König anmerkt, auf die Voreinwohner zurück. Ohne den Betrug des „Land Office“ der US-Regierung, das Indianerland einfach in Besitz nahm und an Neuankömmlinge verkaufte, würde es Bremen, Indiana, heute nicht geben. Über 5.000 Menschen leben heute im zweitgrößten Bremen der Welt, und in der Region sind es mehr als 42.000. Mit „Quality works in Bremen“ wirbt Bremen, Indiana, heute für den Standort, derweil sich Bremen, Ohio, auf den Slogan „The Friendly Village“ und New Bremen, Ohio, auf die Selbstbeschreibung „New Bremen is an ideal place for people and business“ beschränken.

Locker plaudernd und anekdotelnd beschreibt König die Bremens weltweit und stützt sich neben eigenen Recherchen sowie anderen Quellen auch auf Berichte und Fotos seines weltweit nach Bremen forschenden Verlegers Klaus Kellner. Trotz aller Leidenschaft für das randständige Thema ist es ihnen aber nicht gelungen, das Wort Bremen mit etymologisch letzter Sicherheit zu übersetzen. Eher unwahrscheinlich ist die Herleitung von der Brombeere, wahrscheinlicher dagegen die Übersetzung mit „an den Rändern“ oder „bei den (Wasser-) Fluten“. Auch könnte das Wort von Sachsen mitgebracht worden sein. Den Anspruch, Bremen an der Weser, sei eine Gründung von Bremern im Süden des Landes, wird von den Bremern an der Weser aber zurückgewiesen. Das könnte die Weltgeschichte durcheinanderbringen. ck

„Bremen in aller Welt“, Kellner-Verlag, 1998, 49,80 Mark