Kommentar
: Kein genialer Schachzug

■ Studentendorf Schlachtensee in Gefahr

Es klingt geradezu phantastisch. Als Dank dafür, daß er dem Land Berlin ein schlüsselfertiges Museum auf dem Kreuzberg schenken darf, will ein Investor gleich noch das marode Studentendorf Schlachtensee aufmöbeln. Ein genialer Schachzug des Kultur- und Wissenschaftssenators, der die akutesten Immobilienprobleme seiner beiden Ressorts in einem Aufwasch löst.

Doch wer wollte es dem Investor verdenken, daß er bei dem Geschäft auf seine Kosten kommen will. Vorsorglich hat der Senator sein Versprechen, das Wohnheim zu erhalten, eingeschränkt: Von derzeit über 1.000 sollen 350 Plätze bleiben. Auf den ersten Blick erscheint das gar nicht schlimm, sieht man vom Denkmalschutz einmal ab. Denn Wohnheimplätze gibt es in Berlin derzeit mehr als genug. Die Studentenzahlen sinken, gleichzeitig ist der Wohnungsmarkt so entspannt wie nie. Das Studentendorf Schlachtensee ist nur zum herbstlichen Uni-Auftakt leidlich ausgebucht, im Laufe des Jahres suchen vier von zehn Bewohnern das Weite.

Das aber ist der Preispolitik des Studentenwerks zuzuschreiben, das Mieten von bis zu 25 Mark je Quadratmeter noch „günstig“ nennt. Doch es handelt aus der Not: Schließlich mußte es die Wohnheime im Osten weitgehend aus eigener Kraft sanieren, die Kosten also auf die Bewohner aller Heime umlegen. Weil die Mieten aber längst die Schmerzgrenze erreicht haben, ist jetzt auch mit dem Sanieren Schluß. Fallen alle Wackelkandidaten unter den Wohnheimen tatsächlich flach, sinkt die Zahl der Plätze in den kommenden Jahren von 13.000 auf 9.000.

Diese Politik des zugedrehten Geldhahns aber ist fatal. Denn die Zahl der Studierenden wird nicht so schnell sinken wie die Zahl der Studienplätze, und mangels Neubauten wird sich der Wind auf dem Wohnungsmarkt bald wieder drehen. Studienanfänger von auswärts und Gaststudenten aus dem Ausland sind ohnehin darauf angewiesen, ohne langes Suchen eine erste Unterkunft mit sozialem Anschluß zu bekommen – das bietet nur ein Wohnheim. Auch wenn es manchem Schwärmer zu popelig erscheint: Ohne solch banale Voraussetzungen bleibt die „Wissenschaftsmetropole Berlin“ ein Luftschloß. Ralph Bollmann