■ Der US-Angriff auf den Irak hat die Probleme nur verschärft
: Was wir den Irakern schulden

„Mission accomplished“, heißt es aus dem Pentagon. Man habe mit 300 Cruise-Missiles und 600 Angriffen erneut Saddam Husseins militärisches Potential geschwächt. Doch was wurde mit dem viertägigen Spektakel tatsächlich erreicht?

Ein bekannter ägyptischer Scheich beschreibt das Resultat mit einer alten arabischen Anekdote: Der Fuchs lacht voller Freude, als er den vor Schmerz schreienden Hasen in den Klauen hält. Doch dann dreht sich der Hase plötzlich hämisch grinsend zum Fuchs. Ich schreie, weil ich so schwach bin, nicht weil du so stark bist.

Tatsächlich haben die in den letzten Tagen vermeintlich starken USA einmal mehr gezeigt, daß sie zwar weitreichende lasergesteuerte Raketen besitzen, aber nur einen sehr kurzsichtigen strategischen Blick. Nachdem der Rauch der Bomben sich verzogen haben wird, wird sich zeigen, daß dieses tödliche Feuerwerk kaum etwas verändert hat. Nur die UN-Waffeninspektoren werden voraussichtlich nie mehr den Irak betreten, um dort die vermeintliche Produktion von Massenvernichtungswaffen zu unterbinden.

Washingtons und Londons neue, alte Vision ist es, den Irak politisch und militärisch einzudämmen. Ein Versuch, der schon in den letzten sieben Jahren keinen Gewinner und Verlierer hervorgebracht hat. Man wolle Saddam Hussein in einen Käfig sperren und ihm gelegentlich mit ähnlichen Aktionen wie denen der letzten Tage auf die Finger hauen, heißt es jetzt. Oder anders gesagt: Die Sanktionen sollen weitergeführt werden, und immer wenn laut (unkontrollierbaren) Geheimdienstinformationen Saddam Hussein versucht, sein Militärpotential wiederaufzubauen, treten die Flugzeugträger am Golf erneut in Aktion. Auf Dauer hofft man mit diesem Szenario Saddam Hussein gänzlich in die Geschichtsbücher zu bannen. Vielleicht werden es zukünftige militärische Aktionen auch schaffen, die Machtbasis Saddam Husseins wegzubomben und das System zum Kollabieren zu bringen. Doch auch das ist zu kurz gedacht.

Derzeit existiert keine Gruppe oder Person, die das dann entstehende Vakuum füllen könnte. Ein Blutbad und eine völlig instabile Situation wäre das wahrscheinlichste Ergebnis. Daran ändern die USA auch nichts, wenn sie noch hundertmal die republikanische Garde bombardieren oder das irakische Volk noch weitere sieben Jahre aushungern.

Und all dies wird auf dem Rücken der irakischen Bevölkerung ausgetragen. Dessen Leiden ist keine theoretische Größe und keine Propagandafinte des irakischen Regimes. Richard Garfield, Spezialist für die Auswirkungen des Embargos auf den Gesundheitssektor, spricht davon, daß sich die Sterberate irakischer Kinder unter fünf Jahren seit den Sanktionen verdreifacht hat. Der Ire Denis Halliday, ehemaliger Chef des Humanitären UN-Programms in Bagdad, der frustriert vor wenigen Monaten sein Handtuch warf, faßt es in einen Satz: „Wir bringen wissentlich Kinder um, weil sich die USA durch eine ausgesprochen dumpfe Außenpolitik führen lassen. Wie können wir das rechtfertigen?“

Die jetzigen Bombardierungen haben den Ausweg aus dieser politischen und auch humanitären Krise noch mehr verschüttet. Sollte die internationale Staatengemeinschaft es dennoch schaffen, die Trümmer der letzten Tage beiseite zu schaffen, braucht sie neue Ideen. Etwa den von Frankreich schon vor Monaten eingebrachten Vorschlag, etappenweise vorzugehen. Jedem ernsthaften irakischen Abrüstungsschritt würde eine konkrete Teilaufhebung der Sanktionen folgen. Jeder Abrüstungsschritt würde dann eine Erleichterung für die Menschen im Irak bedeuten. Saddam Hussein stünde damit seinem Volk gegenüber in konkreter Verantwortung. Der innenpolitische Druck auf ihn würde größer.

Die Voraussetzung für diesen Prozeß wäre auch, daß er nicht mehr allein von Washington diktiert wird. Zugegebenermaßen ein kompliziertes Unterfangen, das wesentlich weniger medienwirksam wäre als der Flammenhimmel über Bagdad. Aber nach sieben Jahren immer wiederkehrender reißerischer TV-Unterzeilen wie „Showdown in Iraq“ schuldet die internationale Gemeinschaft dem irakischen Volk diesen Versuch. Karim El-Gawhary