Liberale legen bei Wahlen in Sankt Petersburg zu

■ Fraktion Jabloko verfehlt beim zweiten Wahlgang zum Stadtparlament die absolute Mehrheit

Moskau (taz) – Wie erwartet, verzeichneten am vergangenen Wochenende beim zweiten und letzten Wahlgang zur Sankt Petersburger gesetzgebenden Versammlung die liberalen Kräfte einen beachtlichen Erfolg. Doch nicht zu Unrecht gilt Rußlands nördliche Hauptstadt als kapriziös. Und so zerschlugen sich viele durch die Ergebnisse des ersten Wahlganges am 6. Dezember geweckte Hoffnungen.

Die größte Überraschung bildete das diesmal hervorragende Abschneiden der sogenannten Sankt-Petersburger-Liste des Gouverneurs Wladimir Jakowlew. In dem nur fünfzig Sitze umfassenden Gremium konnte er über 20 Plätze erobern. Die nächstumfangreiche Fraktion aus 16 Deputierten wird eine neue politische Kraft stellen, die erstmals angetretene Gruppe Juri Boldyrjews, eines mit 39 Jahren bereits erfahrenen Politikers. Er begründete vor einigen Jahren die – heute von ihm erbittert als Konkurrenz bekämpfte – Jabloko-Fraktion in der Duma mit. In deren Stab gab es in der Nacht vom Sonntag zum Montag die längsten Gesichter. Nachdem am 6. Dezember 23 Jabloko-Kandidaten durchgekommen waren, hatte sich die klassische liberale Partei des neuen Rußland in Petersburg schon der absoluten Mehrheit nahe gefühlt. Doch weit gefehlt: Diesmal schafften es nur sieben Kandidaten.

„Dies ist ein Sieg der schmutzigen Tricks“, hieß es im Jabloko- Hauptquartier. Tatsächlich war in Rußland noch nie ein Wahlkampf so weit unter der Gürtellinie geführt worden wie dieser. So sahen sich zum Beispiel acht liberale Kandidaten in ihren Wahlkreisen mit sogenannten Zwillingen konfrontiert, Gegenkandidaten, die absolut den gleichen Familiennamen trugen wie sie selbst und meist eine kriminelle Vergangenheit aufwiesen. In seiner mit beträchtlichen finanziellen Mitteln in der letzten Woche noch verstärkten Kampagne diffamierte der Gouverneur die Jabloko-Mitglieder als „Agenten Moskaus und des Westens“, die Petersburg „auf den Hund bringen“ wollten.

Vor diesem Hintergrund erstaunt es geradezu, daß die hurrapatriotischen Kommunisten in der gesetzgebenden Versammlung der verarmten Stadt nur fünf Stimmen erhielten. Wenn Boldyrjews Leute und Jabloko zusammengehen, können sie in dem Gremium noch immer das Zünglein an der Waage spielen. Mehr als alle Propaganda habe sich auf das Wahlresultat der Ende November verübte Mord an der demokratischen Abgeordneten Galina Starowojtowa ausgewirkt, meinte eine anonyme Wahlhelferin vor der Fernsehkamera: „Die Schüsse auf Galina Starowojtowa sind nach hinten losgegangen.“ Barbara Kerneck