Ein offizieller Schritt vor, ein inoffizieller zurück

■ Auch nach der UN-Bevölkerungskonferenz hat sich an Planungspraktiken wenig geändert

„Überlasse die nächste Schwangerschaft deinem Schwein“, lautete das Motto eines Kreditprogramms für thailändische Frauen, verbunden mit der Androhung, sonst kein Geld mehr zu bekommen: Diese Bevölkerungspolitik kennen wir aus den 80er Jahren, wogegen sich auf internationaler Ebene eine breite Protestbewegung von Frauen vernetzte.

Das Motto der Weltbevölkerungskonferenz von Kairo 1994, nämlich Frauen Entscheidungsfreiheit zu gewähren, versprach ein Ende der Menschenrechtsverletzungen im Rahmen international finanzierter bevölkerungspolitischer Programme. Der Aktionsplan von Kairo riet, die Geburtenzahlen allein über den freiwilligen Zugang zu Verhütungsmitteln zu verringern. Auch sollte von demographischen Zieldaten, den sogenannten targets, Abstand genommen werden. Feministische Netzwerke wie FINRRAGE nahmen diese Versprechen mit Skepsis auf. Berichte der vergangenen Jahre aus verschiedenen Ländern geben ihnen recht.

Bereits ein Jahr nach Kairo berichtete das indonesische Institute for Policy Research and Advocacy in Jakarta 1995 über drastische Menschenrechtsverletzungen im Rahmen eines 212 Millionen US- Dollar teuren Programms der Weltbank zur Familienplanung: Staatliche Angestellte erklärten den für das Programm ausgewählten Frauen, daß sie zur Teilnahme verpflichtet seien. Sie brachten sie in Kliniken, wo ihnen die Spirale eingesetzt wurde. Diejenigen, die sich weigerten, sollen von Polizei und Militär abgeführt worden sein.

In Indien kündigte die Regierung offiziell das Ende der Sterilisationsquoten an. Die bisherigen Fünfjahrespläne zur Verringerung des Bevölkerungswachstums hatten ähnlich wie in Peru zu einem hierarchischen Zwangssystem geführt: Die Regierung gab Sollzahlen an, wie viele Frauen durch Sterilisationen, Spirale oder Pille jährlich unfruchtbar gemacht werden sollten. Nicht nur Angestellte des Gesundheitssystems, sondern auch Lehrer oder Steuerbeamte bekamen geringere Gehälter, wenn sie nicht am Ende eines Jahres mit einer bestimmten Anzahl von Sterilisationen in ihrem Distrikt aufwarten konnten

Nach einem Forschungsbericht der Soziologin Sangeeta Fager hat sich an dieser Praxis der Programme seit 1996 kaum etwas geändert. Während die Sollzahlen der Zentralregierung abgeschafft wurden, führten die Distrikt-Gesundheitsabteilungen sie wieder ein. Weder das bevölkerungspolitische Denken der ÄrztInnen noch die gesamtpolitische Ausrichtung des indische Familienplanungsprogramms haben sich geändert. Susanne Schultz