Netanjahu setzt auf Neuwahlen

Die Koalition des israelischen Ministerpräsidenten ist am Streit um die Palästinenserpolitik gescheitert. Nächstes Jahr sollen die BürgerInnen entscheiden  ■ Aus Jerusalem Georg Baltissen

Der „Super-Montag“, wie er in israelischen Zeitungen tituliert wurde, brachte zumindest eines ans Licht: Die Regierung unter Benjamin Netanjahu ist am Ende. Das Parlament wollte noch gestern abend über seine Selbstauflösung abstimmen. Eine Mehrheit galt als relativ gesichert. Auch der Likud, die Partei Netanjahus, hatte am Nachmittag die bittere Pille geschluckt und sich für Neuwahlen entschieden. Das Mißtrauensvotum der religiösen Partei UTJ wurde ausgesetzt. Die israelische Regierung hatte anscheinend erkannt, daß eine Mehrheit von mindestens 61, wenn nicht 65 Abgeordneten für Neuwahlen stimmen würde. Damit sind Verhandlungen zwischen den Parteien über den Zeitpunkt der Neuwahlen angesagt. Vermutlich werden diese Ende April stattfinden.

Netanjahu und Oppositionsführer Ehud Barak traten noch am Abend vor die Knesset, um ihre Positionen darzulegen. Während Netanjahu schon am Samstag mit einem Auftritt im Teddy-Kollek- Stadium in Jerusalem indirekt den Wahlkampf eröffnet hatte, hielt sich Barak, der Chef der Arbeitspartei, noch zurück. Er hatte über das Wochenende vergeblich versucht, den ehemaligen Generalstabschef Amnon Lipkin-Schahak in die Reihen der Arbeitspartei einzubinden. Doch Umfragen sehen Lipkin-Schahak, der bisher noch keine einzige politische Erklärung abgegeben hat, mit 47 zu 43 Prozent deutlich vor Barak. Netanjahu erhält als Ministerpräsident nur eine Zustimmung von 37 Prozent. Lipkin-Schahak will gemeinsam mit dem Ex-Bürgermeister von Tel Aviv, Ronni Milo, und dem ehemaligen Likud-Finanzminister Dan Meridor eine neue „Partei der Mitte“ bilden.

Eigentlich hatte Netanjahu gestern in der Knesset seine fünf Bedingungen an die Palästinenser zur Abstimmung stellen wollen, um sich so eine Mehrheit zu sichern. Am Sonntag hatte das Kabinett diese Bedingungen abgesegnet. Unter anderem sehen sie vor, daß Palästinenserpräsident Jassir Arafat auf eine einseitige Proklamation eines palästinensischen Staates im kommenden Mai und die Forderung nach Freilassung politischer Gefangener verzichten soll. Mit diesen Bedingungen hatte Netanjahu erhofft, noch einmal die politische Rechte einbinden zu können. Doch sowohl der Führer der „Groß-Israel-Front“, Michael Kleiner, sowie die Likud-Rebellen Dan Meridor und Benni Begin hatten sich für Neuwahlen ausgesprochen. Nachdem auch die Partei des 3. Weges von Sicherheitsminister Avigdor Kahalani eine solche Entscheidung getroffen hatte, sah Netanjahu seine Felle davonschwimmen. Obwohl die Nationalreligiöse Partei und auch die Vertreter der Siedler im letzten Moment umschwenkten und Netanjahu als das „kleinere Übel“ stützen wollten, waren die Chancen bereits vertan.